Krebs besiegt man nur gemeinsam
2014. Die damals 12-jährige Jule Nagel verbringt einen schönen Sommerurlaub mit ihrer Familie auf Rügen. Bei einem Abendspaziergang bemerkt Mutter Tanja plötzlich eine Beule an Jules Hals. Was sie zunächst für einen Mückenstich hält, entpuppt sich einige Untersuchungen später als bösartiger Tumor. Es folgt eine Zeit, die von Therapien, Krankenhausaufenthalten und Beten bestimmt wird. Die ganze Familie Nagel hält zusammen. Insbesondere Mutter Tanja kümmert sich aufopferungsvoll um das Wohlergehen ihrer Tochter.
Jules Geschichte
Monatelang schlafen Papa und Mama abwechselnd bei Tochter Jule im Krankenhaus. Mitschülerinnen und Mitschüler schicken Videos, der Opa schickt Geschichten auf ihr Handy.
„Mama und ich haben auch heute noch eine sehr, sehr enge Bindung.”
Aber auch Nachbarinnen und Nachbarn übernehmen kleine Aufgaben wie Wäsche bügeln oder Essen kochen. Mama Tanja und das gesamte Umfeld stehen hinter Jule und helfen ihr beim Kampf gegen die Krankheit.
Nachgefragt bei: Jule Nagel und ihrer Mutter Tanja
Egal ob wir selbst betroffen sind oder zum nahen Umfeld gehören: Nach einer Krebsdiagnose gibt es tausend Fragen. Wir haben Jule und ihre Mutter gebeten, uns aus ihrer Perspektive ein paar Antworten zu geben.
Weitere Fragen an Jule und Ihre Mutter
Wie fühlt man sich als Mutter, wenn das eigene Kind eine Krebsdiagnose bekommt?
Tanja Nagel:
„Es zieht dir den Boden unter den Füßen weg. Von einer Sekunde auf die nächste ist dein Kind in einer lebensbedrohlichen Situation. Und dann weißt du ja nicht: Wird dein Kind das überleben oder bedeutet es, dass dein Kind stirbt?
Du kannst die Situation nur hinnehmen und schauen, wie du dein Kind Schritt für Schritt begleitest. Plötzlich geht es nur noch um das Jetzt und das Hier und wie du deinem Kind jeden Tag möglichst schön machst.“
Aus der Perspektive der Mutter: Was können Eltern tun, um sich nicht selbst zu überfordern?
Tanja Nagel:
„Wichtig ist, es nicht alles allein schaffen zu wollen. Tür aufmachen, Bescheid geben im Umfeld und sagen ‚Leute, ich schaff das nicht allein, ich brauch jetzt auch Hilfe.‘
Es gibt viele Menschen, die wollen helfen. Und wenn dann jeder im Umfeld etwas Kleines macht, ist man schon ein ganzes Stück weiter. Und: Ich habe mir die Broschüren der Deutschen Krebshilfe geholt, um zu wissen, was mich erwartet. Das hat geholfen.“
Jule, wie geht es dir heute?
Jule Nagel:
„Mir geht’s sehr gut. Ich merke zwar noch bis heute, dass ich nicht mehr so viel Energie habe wie andere in meinem Alter. Die Chemotherapie hat mich viel Kraft gekostet, deswegen rauche ich nicht und trinke kaum Alkohol, um nicht noch mehr Energie zu verbrauchen. Ich bin so schon schnell schlapp und brauche viel Schlaf, aber das finde ich nicht schlimm. Ich bin gesund, ich bin dankbar und ich gehe regelmäßig zur Kontrolle. Mir geht’s sehr gut.“
Warum unterstützt du die Deutsche Krebshilfe?
Jule Nagel:
„Weil ich Krebs hatte. Mir war klar: Wenn ich das überlebe, will ich später helfen. Ob als Krankenschwester, Ärztin, Sozialarbeiterin, Therapeutin ... Ich hätte nicht gedacht, dass ich als Jule helfen kann. Ich bin sehr stolz, dass ich hier sitzen und helfen darf.“
Was möchtest du anderen Erkrankten mit auf den Weg geben?
Jule Nagel:
„Immer weiterkämpfen! Sich Vorbilder suchen, zu denen man aufschauen kann. Videos anschauen von Menschen, die die gleiche Erkrankung hatten und es überlebt haben.
Sich anhören WIE sie es geschafft haben und was sie heute machen.
Ich hatte eine Zeit, in der konnte ich weder laufen noch essen, und heute sitze ich hier, gehe shoppen, mache Party. Solche Geschichten sollte man sich anschauen und sich denken ‚Das könnte ich in einem Jahr sein.‘
Und natürlich den Kontakt zu Freunden pflegen. Den Kontakt in die ‚normale Welt‘. Alles machen, was einen die Krankheit kurz vergessen lässt. Als erkrankte Person freut man sich, wenn man vielleicht sogar mal Ratschläge erteilen kann und sich gebraucht fühlt.“