KREBSSCHMERZEN

Die Diagnose Krebs ist bei vielen Menschen mit der Befürchtung verbunden, dass früher oder später unerträgliche Krebsschmerzen auftreten werden. Aber die heutigen Möglichkeiten der Schmerztherapie bei Krebskranken erreichen bei jedem Betroffenen eine Schmerzlinderung und bei 85 bis 90 Prozent der Patienten sogar eine weitgehende Schmerzfreiheit. Für den Erfolg der Therapie bei Tumorschmerzen ist die Mitarbeit der Betroffenen sehr wichtig.

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Einleitung

Die weitverbreitete Vorstellung von unerträglichen Krebsschmerzen drückt sich auch in der Sprache aus. Denn einerseits werden Krebserkrankungen im allgemeinen Sprachgebrauch als bösartig bezeichnet, andererseits bedeutet in vielen europäischen Sprachen Schmerz schlechthin „das Böse”. Auch in einigen deutschen Regionen reden Menschen beispielsweise von einem „bösen Bein” und meinen damit anhaltende Schmerzen in diesem Körperteil. Viele Menschen, die beim Thema Krebs sofort an quälende Schmerzen denken, erinnern sich möglicherweise an leidgeplagte Familienangehörige und Bekannte, die zu einem Zeitpunkt an Krebskrankheiten litten, als wirksame Schmerzmedikamente nicht ausreichend verfügbar waren oder – leider zu häufig – von ärztlicher Seite unzureichend eingesetzt wurden.

Hinweis: Dabei ist eine Krebserkrankung keineswegs immer mit Schmerzen verbunden. Bei etwa jedem dritten Patienten treten nie erhebliche Schmerzen auf, selbst wenn die Krebskrankheit fortschreitet und eine Heilung nicht oder nicht mehr realistisch ist. Allerdings können Schmerzen bei manchen Tumorerkrankungen ein frühes Krankheitszeichen sein, das zum Arzt und zur Diagnosestellung führt.

Bei Krebskranken ist keineswegs immer so, dass nur der Tumor Schmerzen auslöst. Sie können auch unerwünschte Nebenwirkungen einiger Behandlungen – zum Beispiel Muskelschmerzen nach Chemotherapie oder schmerzende Schleimhäute nach einer Strahlentherapie – auftreten oder durch Begleitkrankheiten ausgelöst werden, die gar nichts mit dem Tumor zu tun haben. Wie wirksam die verschiedenen Methoden sind, mit denen sich Schmerzen behandeln lassen, hängt stark von der Ursache der Schmerzen ab. Was bei der einen Ursache gut anschlägt, hilft bei einer anderen weniger. Deshalb ist es notwendig, die Schmerzursache zu klären.

Wenn im Verlauf der Erkrankung Schmerzen auftreten, so können diese mit den heutigen Möglichkeiten der Schmerztherapie fast immer zufriedenstellend gelindert werden. In den meisten Fällen ist die Schmerzbehandlung sogar recht einfach und kann von allen Ärzten, die Krebskranke behandeln, erfolgreich durchgeführt werden. Es gibt aber Fälle, die auch schmerztherapeutisch erfahrene Fachärzte sehr fordern und die eine enge Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten notwendig machen.

Wichtig ist: Sie verspüren die Schmerzen, nicht Ihr Arzt. Deshalb können Sie wichtige Hinweise auf die Schmerzursache geben, und nur Sie können beurteilen, ob und in welchem Ausmaß die Schmerzbehandlung wirkt. Für eine gute Schmerzkontrolle ist die Mitarbeit des Betroffenen wichtig.

Wenn Ihnen jedoch Ihre behandelnden Ärzte oder Krankenschwestern sagen, dass Sie Ihre Schmerzen einfach aushalten müssen, dann schlagen Sie die Mitbehandlung durch einen Arzt vor, der über eine besondere schmerztherapeutische Erfahrung und Qualifikation verfügt.

Das INFONETZ KREBS, der Informations- und Beratungsdienst der Deutschen Krebshilfe, kann Ihnen Adressen von Schmerztherapeuten und Schmerzambulanzen in Ihrer Nähe geben.

Patientenleitlinie Palliativmedizin

Sie suchen mehr Informationen? Palliativmedizin

Weitere Informationen zur Schmerztherapie enthält auch das Kapitel 5 der Patientenleitlinie „Palliativmedizin”, eine allgemeinverständliche Fassung der wissenschaftlichen S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patientinnen und Patienten mit nicht heilbarer Krebserkrankung”.

ZUR PATIENTENLEITLINIE

Was sind Krebsschmerzen?

Welche Arten von Schmerzen gibt es und wie entstehen diese? Wenn Sie über das Wesen, die Art und Bedeutung von Schmerzen und über die Grundsätze ihrer Behandlung informiert sind, können Sie selbst zu einer erfolgreichen Schmerzkontrolle bei Tumorschmerzen beitragen.

Was verstehen wir unter Schmerz?

Die kürzeste und zutreffendste Definition von Schmerz findet sich in der mundartlichen Bezeichnung Weh-Ding. Schmerz ist also ein Ding, das heißt eine Empfindung, die weh tut. Derartige Empfindungen können sich auf körperliche Verletzungen beziehen, beispielsweise eine Verbrennung, oder auf einen seelischen Zustand, der ebenfalls wie eine Verletzung erlebt wird. Dementsprechend beschreiben sich viele trauernde Hinterbliebene in Todesanzeigen als „in tiefem Schmerz“. Das Wort Leid bedeutet übrigens von seinem Ursprung her nichts anderes als den Schmerz einer vorübergehenden oder endgültigen Trennung.

Wichtig: Es gibt keinen seelischen Schmerz ohne körperliche Reaktion und keinen körperlichen Schmerz ohne seelische Empfindung.

Dieses moderne Verständnis von Schmerz ist auch für eine gute Therapie von Tumorschmerzen wichtig und ist in die wissenschaftliche Definition von Schmerz eingegangen, die von der Internationalen Vereinigung zum Studium des Schmerzes (IASP) aufgestellt wurde: Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder möglicher (potentieller) Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.

Wie empfinden wir Schmerzen?

Jeder Mensch weiß aus eigener Erfahrung, dass sein Körper an verschiedenen Stellen und abhängig von Begleitumständen unterschiedlich empfindlich ist: Der Druck auf die Fußsohle und Gelenke beim Sprung aus geringer Höhe wird kaum wahrgenommen, während der gleiche Stoßimpuls auf die Nase extrem schmerzhaft ist. Die gleiche Berührung, die bei gesunder Haut als angenehm empfunden wird, lässt einen Menschen, der sich die Haut verbrannt hat, aufschreien. Auch die Psyche spielt bei Schmerzen eine wichtige Rolle: Im einen Fall beginnt bei dem – von Vielen gefürchteten – Zahnarztbesuch zum Beispiel das Schmerzerleben und die entsprechende Schmerzreaktion bereits beim Anschalten des Bohrers, bevor dieser überhaupt Kontakt zum Zahn hat. Im anderen Fall verneinen Menschen, die nach einer schweren Unfall- oder Kriegsverletzung unter psychischem Schock stehen, dass sie Schmerzen empfinden.

Schmerz ist also keine einfache Sinneswahrnehmung wie Hören, bei dem etwa das akustische Signal einer Klingel beim Hörer zuverlässig zu der Geräuschwahrnehmung „klingeln“ in entsprechender Lautstärke führt. Schmerz ist vielmehr eine komplexe Empfindung und entspricht eher einem Zustand wie beispielsweise Müdigkeit, die keineswegs nur durch einen Mangel an Schlaf bestimmt wird.

Da das Schmerzerleben vielfältig beeinflusst wird, können in der Schmerztherapie auch unterschiedliche Wege genutzt werden, um eine Schmerzlinderung herbeizuführen.

Hinweis: Je mehr die Ärzte über die Abläufe im Körper wissen, die darüber entscheiden, ob und wie Menschen Schmerzen empfinden, desto gezielter lassen sich auch bei Krebskranken Schmerzen kontrollieren.

Wie aber kommt es nun dazu, dass Menschen Schmerzen empfinden?

Wie entstehen Schmerzen?

Grundsätzlich wird jede Art von Reiz ab einer gewissen Intensität von den Sinnesorganen als Schmerz wahrgenommen: extrem laute Geräusche, sehr grelles Licht, Hitze, beißende Kälte, stechender Geruch, brennender Geschmack oder starker Druck. Um mechanische, entzündliche oder chemische Verletzungen zu registrieren, ist der Körper mit Millionen von sogenannten Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) ausgestattet. Diese antennenähnlichen Rezeptoren bestehen aus feinen Nervenendigungen, und sie finden sich besonders im Bereich der Haut, der Muskulatur, der Knochenhaut, der Gelenke und der Oberflächen von inneren Organen.

Wenn sich zum Beispiel jemand mit dem Messer schneidet oder sich die Hand verbrennt, übt diese Verletzung auf die Schmerzrezeptoren in dem entsprechenden Gewebe Reize aus, auf die sie mit elektrischen Impulsen reagieren. Diese Signale laufen unterschiedliche Nervenfasern entlang bis zu Nervenumschaltstellen (Synapsen) im Rückenmark. Von dort werden sie ins Gehirn weitergeleitet: zunächst zu weiteren Schaltstellen im Hirnstamm und schließlich zur Großhirnrinde. Dort angekommen, führen sie zu einer entsprechenden Schmerzwahrnehmung: Der Schnitt / die Verbrennung tut weh. Derjenige, der sich geschnitten / verbrannt hat, stuft nun diese Schmerzempfindung ein, und zwar in Bezug auf ihre aktuelle Bedeutung, ihre Stärke und Bedrohlichkeit. Dies wiederum führt zu verschiedenen gefühlsmäßigen Reaktionen und Verhaltensweisen, die umgekehrt über Nervenimpulse die weitere Schmerzwahrnehmung beeinflussen.

Die Weiterleitung der Schmerzimpulse über die verschiedenen Nervenschaltstellen erfolgt also nicht automatisch und führt keineswegs immer zu einer gleich starken Schmerzwahrnehmung. Vielmehr können diese Impulse durch andere Nervenimpulse verstärkt, abgeschwächt oder gar aufgehoben werden. Angst kann beispielsweise eine Schmerzempfindung verstärken. Ist der Betroffene abgelenkt und seine Aufmerksamkeit anderweitig gebunden, kann er die Schmerzen dagegen weniger stark oder sogar überhaupt nicht mehr verspüren. Eine derartige Aufmerksamkeitslenkung geschieht beispielsweise bei der Hypnose.

An den Nervenschaltstellen werden durch verschiedene chemische Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, zusätzlich noch andere Nervenfasern, die keine Schmerzimpulse leiten, aktiviert: Dann verspannen sich die Muskeln, Blutgefäße werden enggestellt, der Pulsschlag verändert sich, Angst entsteht. Aber es können auch körpereigene Substanzen (Endorphine) freigesetzt werden, die wie Morphin schmerzlindernd wirken. Ein Marathonläufer bemerkt dann eventuell erst am Ziel, dass er sich sehr schmerzhafte Blasen zugezogen hat.

Wenn ein Mensch Schmerzen empfindet, so handelt es sich um einen komplexen Vorgang. Auch dies soll ein Beispiel verdeutlichen.

Ein Gewebeknoten drückt auf Schmerzrezeptoren in der Brust und löst einen Schmerzreiz aus. Die Frau nimmt diesen Schmerz wahr und empfindet den Knoten als mehr oder weniger schmerzhaft (Schmerzintensität). Diese Einstufung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und mit bestimmten Gefühlen und Bewertungen verbunden. Daraus ergibt sich wiederum ein sehr unterschiedliches Schmerzerleben: Wird der Knoten als bedrohlich empfunden, macht er Angst („Das ist bestimmt Krebs”); wird er dagegen als harmlos eingeschätzt („Ich habe mich offenbar gestoßen”), so ist mit der gleichen Schmerzwahrnehmung keine psychische Belastung verbunden. Dementsprechend unterschiedlich ist das Verhalten bei Schmerzen: Manche Menschen ignorieren sie, andere sprechen darüber („Da tut etwas weh”) und suchen einen Arzt auf. Wieder andere verschieben die Abklärung der Ursache für ihre Beschwerden, gerade weil sie große Angst haben.

Bei Schmerzen müssen immer unterschieden werden

  • Schmerzreiz
  • Schmerzwahrnehmung
  • Schmerzintensität
  • Schmerzerleben
  • Schmerzverhalten

Zwei Besonderheiten sind bei Patienten mit Tumorschmerzen in Betracht zu ziehen. Zum einen gibt es durchaus intensive Schmerzen, ohne dass eine aktuelle Gewebeschädigung oder eine entsprechende Reizung von Schmerzrezeptoren diese ausgelöst hat. Zum anderen muss ein Schmerzreiz nicht zwangsläufig dazu führen, dass der Betroffene diesen Schmerz auch wahrnimmt. Denn dies ist ja gerade die Zielsetzung einer Schmerztherapie bei Krebsschmerzen: Selbst wenn schmerzhafte Tumorknoten nicht beseitigt werden können, soll die bewusste Schmerzwahrnehmung ausbleiben.

Wichtig: Wie erfolgreich eine solche Schmerztherapie ist, darüber kann jedoch nur der Betroffene selbst Auskunft geben: Nur er kann sagen, ob er Schmerzen hat und wie gut die Schmerztherapie hilft. Es gibt keine Möglichkeit, das Schmerzerleben eines anderen Menschen objektiv zu bestätigen oder zu verneinen.

Welche Arten von Schmerz gibt es?

So wie es verschiedene Ebenen im Körper gibt, die an der Schmerzentstehung beteiligt sind, gibt es auch verschiedene Arten von Schmerzen, die eng damit zusammenhängen, wo sie entstehen. Und weil nicht jedes Medikament, das Schmerzen lindert, gleich gut an jedem Entstehungsort wirkt, ist es von großer Bedeutung, die Art des Schmerzes genau herauszufinden und daraufhin das passende Schmerzmittel einzusetzen.

Schmerzrezeptorschmerzen

Schmerzen, die an Schmerzrezeptoren von Haut, Muskeln, Knochenhaut oder Gelenken entstehen (nozizeptive Schmerzen), lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Knochen- und Weichteilschmerzen (somatische Schmerzen) und Schmerzen aus dem Bauch-, Brust- oder Beckenbereich (viszerale Schmerzen). Somatische Schmerzen werden in der Regel als bohrend, stechend oder spitz geschildert. Der Betroffene kann meist auch genau angeben, wo es weh tut. Diese Schmerzen sind häufig bewegungsabhängig, das heißt, sie nehmen bei Bewegung zu oder werden durch diese ausgelöst. Beispiele hierfür sind Metastasen in Knochen, die deren Stabilität beeinträchtigen. Ist beispielsweise die Wirbelsäule betroffen, kann es zu Rückenschmerzen bei Krebs kommen.

Eine Gewebeschädigung führt nicht nur zu einem Schmerzreiz an den Schmerzrezeptoren, sondern verändert diese auch: Durch freiwerdende Entzündungsstoffe reagieren dann die Schmerzrezeptoren empfindlicher, und ihre sogenannte Schmerzschwelle wird gesenkt. Dann wird beispielsweise die Haut im Schmerzgebiet überempfindlich, und bereits ein sonst als angenehm empfundenes Streicheln ist unerträglich. Entzündungshemmende Medikamente sind deshalb gerade bei oberflächlichen nozizeptiven Schmerzen sehr wirksam.

Bei nozizeptiven Schmerzen handelt es sich in der Regel um akute Schmerzen, die für den Körper durchaus eine anfangs sinnvolle Alarmfunktion haben und auf Schmerzmedikamente meist sehr gut ansprechen.

Werden die Schmerzen über die Antennen innerer Organe vermittelt (viszerale Schmerzen), beispielsweise bei Tumorknoten, die den Darm beeinträchtigen, so charakterisieren Patienten diese Schmerzen oft als dumpf, krampfartig und weniger gut abgrenzbar. Derartige Schmerzen können direkt vom Entstehungsort ausstrahlen oder auch an einer anderen Stelle des Körpers spürbar werden. So werden beispielsweise Schmerzen im Bereich des Zwerchfells und der Gallenblase in der Schulterregion wahrgenommen, Schmerzen, die vom Dünndarm ausgehen, dagegen häufig in der Nabelgegend empfunden. Viszerale Schmerzen sind bei Tumorkranken nicht selten mit Übelkeit, Kreislaufproblemen, Schwitzen oder Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und Darmtätigkeit begleitet.

Nervenschmerzen

Bei länger andauernden Schmerzen verändert sich auch die Impulsleitung in den Nervenfasern, so dass Schmerzen empfunden werden können, obwohl im schmerzhaften Körperteil keine Schmerzrezeptoren und vielleicht auch keine intakten Nervenfasern mehr vorhanden sind. Dies gilt beispielsweise, wenn nach einer Amputation das nicht mehr vorhandene Körperteil noch schmerzt (Phantomschmerz) oder wenn Tumorknoten in Nerven einwachsen und zunehmend die Nervenfunktion zerstören.

Ärzte sprechen von neuropathischen Schmerzen, wenn nicht die Nervenendigungen, sondern die weiterführenden Nervenbahnen direkt gereizt oder gar zerstört werden. Der Arzt kann neuropathische Schmerzen bestimmten Nervenversorgungsgebieten zuordnen, während der Betroffene selbst den Ort der Schmerzentstehung selten genau benennen, sondern nur großflächiger lokalisieren kann. Diese Schmerzen sind wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass in einem bestimmten Nervenversorgungsgebiet schmerzhemmende Nervenimpulse unterbleiben, schmerzverstärkende Nervenschaltungen zunehmen und weitere Nervenfunktionen gestört sind. Deshalb sind neuropathische Schmerzen häufig mit Missempfindungen und Gefühlsstörungen verbunden: möglicherweise einem Gefühl von Pelzigkeit, Hitze, Hauttrockenheit, Nadelstichen, Brennen oder Reißen, das wie elektrisierend einschießt und ausstrahlt. Manchmal lassen sich auch Nervenlähmungen nachweisen. Beispiele hierfür sind Tumorknoten im Bereich der Lendenwirbelsäule oder des Beckens, die auf Teile des Ischiasnervs drücken, oder Lymphknotenmetastasen, die im Hals- und Schlüsselbeinbereich das Nervengeflecht des Armes schädigen (Armplexusschädigung).

Neuropathische Schmerzen sprechen auf viele Schmerzmedikamente weniger gut an und benötigen in der Regel eine komplexere Schmerztherapie. Es handelt sich häufig um chronische Schmerzen. Darunter versteht man allgemein Schmerzen, die länger als drei bis sechs Monate anhalten. Derartige Schmerzen haben für den Körper keine sinnvolle Alarmfunktion mehr.

Verschiedene Arten von Schmerzen

  • Nozizeptive Schmerzen entstehen durch direkte Reizung von Schmerzrezeptoren. Handelt es sich um Schmerzrezeptoren von Knochen, Muskeln, Gelenken, Haut oder Knochenhaut kann der Betroffene sie genau lokalisieren. Er empfindet sie als ziehend, stechend, brennend, drückend, schneidend oder bohrend. Ein Beispiel sind Rückenschmerzen bei Krebs.
  • Viszerale Schmerzen entstehen an Schmerzrezeptoren innerer Organe. Der Betroffene kann sie weniger gut abgrenzen, häufig strahlen sie in Bereiche abseits des eigentlichen Ortes der Schmerzentstehung aus. Sie sind nicht selten von Übelkeit begleitet. Patienten beschreiben diese Schmerzen meist als dumpf, krampfartig oder bohrend und in die Tiefe gehend.
  • Neuropathische Schmerzen entstehen an den weiterführenden Nervenbahnen. Der Betroffene empfindet Pelzigkeit, Hitze, Hauttrockenheit, Nadelstiche, Brennen oder Reißen, das an elektrische Stromschläge erinnert. Diese Schmerzen kann der Patient oft nicht genau lokalisieren.

Die vorangegangenen Erläuterungen zu den verschiedenen Schmerzen sind kompliziert, und vielleicht fragen Sie sich, warum sie so ausführlich dargestellt wurden. Die genaue Zuordnung Ihres Schmerzes zu den unterschiedlichen Schmerzarten ist aber wichtig, damit Ihr Arzt das für Sie beste Medikament finden kann. Denn die verschiedenen Schmerzarten sprechen jeweils unterschiedlich auf verschiedene Medikamente an.

Die Intensität von Schmerzen

Ihr Arzt möchte für Sie eine gute Schmerzkontrolle mit möglichst wenigen Nebenwirkungen erreichen. Dafür muss er wissen, ob Ihre Schmerzen ganz plötzlich oder allmählich zunehmend aufgetreten sind, ob die Schmerzen Sie ständig quälen oder nur zeitweilig, beispielsweise in bestimmten Positionen, bei gewissen Bewegungen oder im Zusammenhang mit Mahlzeiten. Dann kann er für Sie die Medikamente an die Zeiten oder Gelegenheiten anpassen, zu denen die Beschwerden auftreten (Schmerzepisoden).

Ganz plötzlich einsetzende Schmerzen haben meistens eine akute Ursache, die geklärt werden muss. Dauerhaft anhaltende Schmerzen verlangen eine Dauertherapie, solange die Ursache besteht. Die Stärke von Dauerschmerzen kann im Tagesverlauf schwanken, so dass es trotz regelmäßiger Einnahme von Schmerzmedikamenten immer wieder zu akuten Beschwerden kommen kann.

Hinweis: Für derartige sogenannte Durchbruchschmerzen brauchen Sie eine schnell wirksame Bedarfsmedikation, die Sie zusätzlich zu Ihren sonstigen Schmerzmedikamenten einnehmen können.

Dauern gleichartige Schmerzen länger als drei bis sechs Monate an, spricht man allgemein von chronischen Schmerzen. Meist sind dann Schmerzrezeptoren nicht mehr allein für die Schmerzempfindung verantwortlich. Die Nervenbahnen haben vielmehr infolge der lang anhaltenden Reizung (Stimulation) die Schmerzen gelernt. Bei Krebskranken überwiegen länger anhaltende oder wiederholt auftretende akute Schmerzen und chronische, meist neuropathische Schmerzen. Diese Schmerzen stören den Schlaf, mindern den Appetit, verhindern körperliche und geistige Aktivitäten, führen zu sozialem Rückzug, schließlich zur Bettlägerigkeit, zu psychischer und physischer Erschöpfung, zu Angst vor dem, was ein fortschreitender Krankheitsverlauf noch bringen wird, und früher oder später auch bei den stabilsten Kranken zur depressiven Stimmung.

Depression, Angst, Einsamkeit, Langeweile, Müdigkeit und Schlaflosigkeit senken jedoch die Schmerzschwelle immer mehr und führen dazu, dass ein gleicher Schmerzreiz als immer stärker erlebt wird. Dies erklärt, warum bei lang anhaltenden oder chronischen Schmerzen keine Gewöhnung eintritt, sondern die Schmerzen eher zunehmen. Eine möglichst frühzeitige und wirksame Schmerztherapie ist daher besonders wichtig.

Haben Krebsschmerzen eine Funktion oder einen Sinn?

Fasst man mit den Fingern auf eine heiße Herdplatte, so bewirkt der Schmerz, dass die Hand reflexartig zurückgezogen wird. Ein solcher akuter Schmerz hat Alarm- und Schutzfunktion: Er weist auf die Gefahrenquelle hin und verhindert weiteren Schaden. Auch Schmerzen bei Muskelzerrungen oder einem Beinbruch dienen nur einem Zweck: Sie zwingen den Kranken, sich zu schonen und das verletzte Körperteil ruhig zu stellen, bis es geheilt ist.

Bei Krebsschmerzen ist die Situation anders: Sie haben nur anfangs dahingehend eine Alarmfunktion, dass sie auf eine Gewebe- oder Nervenschädigung hinweisen. Die Schmerzursache soll abgeklärt werden, da sie oft beseitigt werden kann und dann nur kurzfristig Schmerzmedikamente notwendig sind. Dabei wird der Arzt parallel vorgehen: Er wird, wenn ein Tumor Schmerzen auslöst, diese umgehend lindern und gleichzeitig nach deren Ursache forschen. Selbst wenn bei Krebserkrankungen die eigentliche Schmerzursache nicht beseitigt werden kann, ist in der Regel trotzdem eine befriedigende Schmerzbehandlung möglich. Chronische Schmerzen haben für den Körper keine sinnvolle Alarmfunktion.

Und dennoch sind Tumorpatienten trotz starker und andauernder Schmerzen oft zurückhaltend, Schmerzmedikamente einzunehmen. Sie sind vielleicht der Meinung, dass die Schmerzen ein Warnsignal des Körpers seien, das nicht einfach ausgeschaltet werden dürfe. Andere Kranke betrachten ihre Schmerzen, die möglicherweise in Ruhe nachlassen, als ernstzunehmende Aufforderung des Körpers, sich mehr zu schonen. Manche Patienten wollen Schmerzen aushalten, weil sie diese wie ihre Krankheit als Prüfung ansehen, der sie nicht ausweichen wollen.

Diese Sichtweise ist übrigens in unserer abendländischen Kulturgeschichte fest verwurzelt: Das englische Wort für Schmerz pain, ebenso das verwandte deutsche Pein leiten sich vom lateinischen Wort poena ab, das Strafe, Sühne, Buße bedeutet. Heutige Theologen verwerfen allerdings derartige frühere Deutungen von „Krankheit und Schmerz als der Sünde Sold“. Krankheit und Schmerz sind keine Strafe, die abgebüßt werden muss.

Wer unter Schmerzen leidet, soll in dieser schwierigen Situation jegliche medizinische Hilfe erhalten, die möglich ist.

Wichtig: Schmerzen längere Zeit auszuhalten, ist nicht sinnvoll, denn es kostet Sie unnötig Kraft, schwächt Ihren Körper und nimmt Ihnen Lebensfreude. Ihr Arzt kann mit einer wirksamen Schmerzbehandlung dazu beitragen, dass Sie mit Ihrer Krankheit möglichst lange gut am und im Leben bleiben.

Die medikamentöse Tumorschmerztherapie

Die heutige Medizin weiß inzwischen viele Einzelheiten über die Entstehung, die Wahrnehmung und das Erleben von Schmerzen. Das Prinzip der sogenannten kompetenten Schmerztherapie nutzt diese Erkenntnisse zum Wohle der Betroffenen: Sie kennt Mittel und Wege, wie Schmerzimpulse, deren Weiterleitung und mögliche Verstärkung unterbunden werden können.

Bei über 90 Prozent der Patienten mit Tumorschmerzen lassen sich diese durch Medikamenteneinnahme in Form von Tabletten, Tropfen, Lutschern oder Zäpfchen (enteral) und bei stabilen Schmerzen auch durch die Haut mittels Schmerzpflaster (transdermal) ausreichend lindern.

Unter ärztlicher Kontrolle kann eine derartige Schmerztherapie über lange Zeit (zum Teil über Jahre) erfolgen, ohne dass es zu starken Nebenwirkungen oder gar zur Sucht kommt und ohne dass die geistige Leistungsfähigkeit des Kranken eingeschränkt wird. Selbst bei der Einnahme von Opioiden bleibt die Reaktionsfähigkeit nach guter Anpassung meist erhalten, so dass im Einzelfall sogar die Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr gegeben ist. Bitte sprechen Sie Ihren Arzt darauf an.

Die Einstellung auf die richtige Dosis kann in der Regel durch den Hausarzt oder den behandelnden Onkologen ambulant erfolgen. Sollten sich dabei allerdings Probleme ergeben, kann es vielleicht sinnvoll sein, dass Sie sich in einer Schmerz- oder Palliativambulanz vorstellen (das INFONETZ KREBS der Deutschen Krebshilfe kann Ihnen entsprechende Adressen geben) oder sogar vorübergehend stationär in einem Krankenhaus (eventuell auf einer Palliativstation) aufgenommen werden.

Ansatzpunkte der medikamentösen Schmerztherapie

Wirkung an den Schmerzrezeptoren

Medikamente, die nur in einem eng begrenzten Bereich des Körpers schmerzhemmend wirken (Lokalanästhetika), werden beispielsweise vor Punktionen oder bei schmerzhaften Rippenmetastasen unter die Haut und in darunterliegende schmerzhafte Gewebe gespritzt. Sie führen zu einer örtlichen Betäubung, weil die Schmerzrezeptoren unempfindlich werden und keine Schmerzimpulse mehr zum Rückenmark weiterleiten. Ähnlich kann das Lutschen von Eiswürfeln die Schmerzen von entzündeten Mundschleimhäuten lindern, die beispielsweise als Nebenwirkung einer Chemotherapie oder Strahlentherapie auftreten können.

Viele Schmerzmedikamente verhindern, dass die bei einer Gewebeschädigung freigesetzten Entzündungsstoffe die Schmerzrezeptoren und die weiterführenden Nervenfasern empfindlicher machen. Dazu können bei abgegrenzten Schmerzen auch Einreibungen, Wickel, Kälte- oder Wärmeanwendungen beitragen. Akut auftretende starke Schmerzen können bei Krebskranken auch Zeichen einer Infektion sein. Dann kann eine umgehende Antibiotikatherapie oder die Operation eines Abszesses rasch die Schmerzen mindern und beseitigen. Sehr segensreich wirkt bei umschriebenen tumorbedingten Knochen- oder Nervenschmerzen eine Bestrahlung, oft auch eine chirurgische Knochenstabilisierung oder Nervenentlastung.

Wirkung an den zum Rückenmark führenden Nervenbahnen

Werden Tumorschmerzen nur durch bestimmte Nervenstränge weitergeleitet, so lassen sich diese vorübergehend oder auch langfristig gezielt durch das Einspritzen von Medikamenten betäuben. Derartige Nervenblockaden können beispielsweise bei für fortgeschrittenen Bauchspeicheldrüsenkrebs typischen Rückenschmerzen und Oberbauchschmerzen (Zöliakusblockade) hilfreich sein, genauso auch bei anderen Krebsarten mit jeweils sehr begrenzten Schmerzen in den Armen, Beinen, im Brustkorb oder im Becken. Nach erfolgreichen Nervenblockaden benötigen diese Patienten dann für einige Zeit keine oder deutlich weniger Schmerzmedikamente.

Wirkung an den Nervenschaltstellen

Die meisten Schmerzmedikamente (Analgetika) wirken nicht nur an den Schmerzrezeptoren und in deren Umgebung, sondern sie hemmen auch vielfältig an den Schaltstellen im Rückenmark die zentrale Weiterleitung der Schmerzimpulse. Medikamente, die üblicherweise gegen Depressionen (Antidepressiva) oder Krampfanfälle (Antikonvulsiva) eingesetzt werden, wirken zwar nicht direkt auf die Schmerzrezeptoren oder Nervenfasern, sie dämpfen an den Nervenschaltstellen jedoch schon in recht niedriger Dosierung direkt oder indirekt die Übermittlung der Schmerzimpulse. Besonders in der Behandlung von Nervenschmerzen spielen derartige Medikamente eine entscheidende Rolle, auch wenn der Betroffene gar keine Depressionen hat.

Opioide finden Andockstationen im Rückenmark und Stammhirn

Opioide – darunter versteht man Morphin oder morphinverwandte Schmerzmittel – finden in der Nachbarschaft der Nervenschaltstellen des Rückenmarks und des Stammhirns besonders viele Andockstellen, sogenannte Opioid-Rezeptoren. Bekommen diese Kontakt mit dem entsprechenden Schmerzmittel, so werden die Schmerzimpulse gedämpft oder ganz unterbunden. Die gleiche Wirkung tritt auch ein, wenn sich die den Opioiden ähnlichen körpereigenen Stoffe (Endorphine) an diese Rezeptoren binden. Inzwischen wissen wir, dass Opioide darüber hinaus eine wichtige Wirkung an den zum Rückenmark führenden (peripheren) Nerven haben.

Schmerzmedikamenten, die nicht auf Opioid-Rezeptoren einwirken, sogenannte Nicht- oder Non-Opioide, wurde früher nur eine Wirkung an den Schmerzrezeptoren der zum Rückenmark führenden Nerven zugeschrieben. Sie beeinflussen aber, wie oben beschrieben, auch die zentrale Weiterleitung von Schmerzimpulsen.

Nicht-Opioide

Viele nicht-opioide Schmerzmedikamente werden Sie kennen und wahrscheinlich bereits bei anderen Schmerzen eingenommen haben. Dazu gehören die sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie Metamizol und Paracetamol. Die NSAR wirken schmerzlindernd, fiebersenkend und entzündungshemmend; bekannte Wirkstoffe sind Ibuprofen, Diclofenac und Acetylsalicylsäure (Aspirin, ASS). Selektive COX-2-Hemmer – kurz Coxibe – sind neuere Substanzen aus der NSAR-Gruppe und haben vor allem bei längerer Anwendung insgesamt geringere Nebenwirkungen. Alle NSAR verhindern, dass bestimmte körpereigene Botenstoffe – die Prostaglandine – gebildet werden, die unter anderem für die Entstehung von Schmerzen verantwortlich sind.

Metamizol und Paracetamol wirken ebenfalls schmerzlindernd, sind zusätzlich krampflösend, dafür aber weniger entzündungshemmend.

Nicht-opioide Schmerzmedikamente werden vor allem gegen Nozizeptorschmerzen eingesetzt.

Antineuropathika

Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) werden mit Antineuropathika behandelt. Dazu gehören manche Antidepressiva und manche Antikonvulsiva.

Ko-Analgetika

Ergänzt werden diese Medikamente durch solche, die nicht für die Behandlung von Schmerzen zugelassen sind, die aber dennoch in der medikamentösen Therapie von Tumorschmerzen ihren Stellenwert haben. In diese Gruppe der sogenannten Ko-Analgetika gehören zum Beispiel Bisphosphonate und Glucocorticoide.

Grundsätze der Tumorschmerztherapie

Ziel einer wirkungsvollen Behandlung von Krebsschmerzen ist es, den Patienten möglichst ganz von seinen Schmerzen zu befreien und ihm so ein wichtiges Stück Lebensqualität zu erhalten oder zurückzugeben. Mit Ihren Ärzten arbeiten Sie dabei intensiv zusammen und legen Ihr ganz persönliches Behandlungsziel fest. Die Einhaltung einiger Grundregeln bietet dabei die beste Gewähr, dass Schmerzen rasch, anhaltend und mit möglichst geringen Beeinträchtigungen für den Patienten gelindert werden.

Eine medikamentöse Schmerztherapie sollte folgende Punkte erfüllen:

  • So einfach wie möglich, also in Form von Tabletten oder Kapseln, Tropfen oder anderen Zubereitungsformen durch den Mund (orale Gabe)
  • Nach einem festen Zeitschema nach der Uhr
  • Nach einem Stufenplan, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor über 15 Jahren aufgestellt hat
  • Individuell angepasst, das heißt, die Dosierung und die Schnelligkeit, mit der die Dosis der Schmerzmittel bestimmt wird, hat sich nach den Angaben des Patienten auszurichten

 

Grundsätze für eine wirksame Therapie von Tumorschmerzen

  • Ist die Ursache der Schmerzen grundsätzlich behandelbar, sollte diese – wenn möglich – auch behandelt werden. Beispielsweise kann bei Knochenmetastasen, die beispielweise zu Rückenschmerzen bei Krebs führen können, eine Strahlentherapie eingesetzt werden. Weitere Informationen zur ursächlichen Schmerzbehandlung finden Sie in den Patientenleitlinien zu den einzelnen Krebserkrankungen. Die Suche und die Behandlung potentieller Ursachen darf jedoch den Beginn der Schmerztherapie nicht verzögern.
  • Dauerschmerzen müssen auch dauerhaft behandelt werden.
  • Bei Dauerschmerzen sollen die Schmerzmedikamente in regelmäßigen Abständen so gegeben werden, dass die Wirkung der jeweils nächsten Schmerzmittelgabe einsetzt, bevor die bisherige Medikamentenwirkung abgeklungen ist. Eine solche präventive Schmerztherapie befreit den Patienten besser und weniger aufwändig von seinen Schmerzen, als wenn die Medikamente erst beim Wiederauftreten von Schmerzen gegeben werden.
  • Wie oft ein Medikament eingenommen werden muss, hängt davon ab, wie lange es wirkt. Viele der üblichen Mittel wirken nur etwa vier Stunden, das heißt, sie müssen dann regelmäßig alle vier Stunden, also sechs Mal täglich eingenommen werden. Arzneimittelzubereitungen, die den Wirkstoff verzögert im Körper abgeben (zum Beispiel Retard- / Long Präparate, Pflaster), wirken länger und können dementsprechend in größeren Abständen eingenommen beziehungsweise (bei Pflastern) gewechselt werden.
  • Diese Medikamente, die ihren Wirkstoff verzögert freisetzen, erzeugen gleichmäßige Wirkstoffspiegel im Blut und eignen sich sehr gut für die Behandlung von Dauerschmerzen. Bei akut auftretenden Schmerzen und sogenannten Durchbruchschmerzen wirken sie jedoch nicht oder zu langsam. Hierfür benötigen die Patienten stets zusätzlich Bedarfsmedikamente, deren Wirkung schnell eintritt, dafür in der Regel aber auch nur kürzere Zeit anhält.
  • Werden Schmerzmedikamente gespritzt, ist die Wirkung nicht stärker, sondern sie setzt lediglich schneller ein, als dies bei entsprechenden Tabletten, Tropfen, Pflastern oder Zäpfchen der Fall ist. Sie hält dafür in der Regel kürzer an.
  • Viele Patienten möchten ihre Medikamente gern unabhängig vom Arzt oder von der Krankenschwester einnehmen können. Dafür bieten sich Tabletten oder Tropfen (orale Schmerztherapie) beziehungsweise Pflaster (transdermale Schmerztherapie) an. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Betroffene über seine Schmerztherapie gut informiert ist.
  • Für die meisten Schmerzmittel gibt es eine Höchstdosis, deren Überschreiten zu keiner höheren schmerzlindernden Wirkung, sondern nur zu mehr Nebenwirkungen führt (Ceiling-Effekt). Bei Morphin und anderen stark wirksamen Opioiden gibt es jedoch keine Höchstdosis (ausgenommen Buprenorphin), und die Nebenwirkungen bei hohen und niedrigen Dosen unterscheiden sich kaum. Deshalb stellen stark wirksame Opioide den Hauptpfeiler in der Therapie von starken Tumorschmerzen dar.
  • Schmerzmedikamente, die nur über ein spezielles Betäubungsmittelrezept (Btm-Rezept) abgegeben werden dürfen, sind nicht gefährlicher als andere Schmerzmedikamente, es sind nur einige Besonderheiten des Btm-Rezeptes zu beachten (unter anderem Einlösung in der Apotheke innerhalb von sieben Tagen nach Verordnung durch den Arzt). Langfristig sind sie in der Regel sogar verträglicher und wirksamer. Derartige Btm-rezeptpflichtige Schmerzmittel betäuben die Schmerzen, nicht den Verstand. Im Gegenteil: Die Schmerzfreiheit weckt bei dem Betroffenen wieder Lebensfreude und Interesse an Gesprächen, sozialen Aktivitäten oder Büchern.
  • Wenn Sie mit Morphin oder anderen Opioiden gut behandelt werden, brauchen Sie nicht zu befürchten, dass Sie abhängig oder süchtig werden – egal, wie hoch die Dosis ist, die zur Linderung Ihrer Schmerzen erforderlich ist.
  • Häufig auftretende Nebenwirkungen der stark wirksamen Schmerzmedikamente sind vor allem Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen. Um diese Nebenwirkungen zu vermeiden, können Sie vorbeugend entsprechende Begleitmedikamente erhalten wie zum Beispiel Abführmittel und Antiemetika (Medikamente zur Verhinderung von Übelkeit und Erbrechen). Zur Vermeidung der regelhaft und auch längerfristig auftretenden Verstopfung (Obstipation) sind vorbeugende Maßnahmen immer sinnvoll. Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkungen bei der Einnahme von Opioiden sind hingegen meist nur ein Problem weniger Tage, so dass Antiemetika meist nur kurz eingenommen werden müssen.

Anwendung der medikamentösen Tumorschmerztherapie

Wenn ein Betroffener unter nicht kontrollierten starken Tumorschmerzen leidet, dann sollten ihm die Medikamente so verabreicht werden, dass die Wirkung möglichst schnell eintritt. Das ist der Fall, wenn er sie direkt über den Blutweg erhält, beispielsweise in Form von Spritzen unter die Haut (subkutan) oder in eine Vene (intravenös). Eine gute Alternative ist auch die Applikation über die Mund- oder Nasenschleimhaut (transmucosal). Wenn die Schmerzen gut eingestellt sind und einem Patienten das Schlucken der Medikamente schwerfällt oder seine Magen-Darm-Tätigkeit beeinträchtigt ist, kann ein Schmerzpflaster eingesetzt werden. Für Betroffene mit einer (durch die Nase führenden) Magensonde oder einem künstlichen Magenzugang von außen durch die Haut und die Bauchwand (Perkutane Endoskopische Gastrostomie, PEG) gibt es inzwischen auch retardierte Darreichungsformen, die direkt über die Sonde beziehungsweise PEG verabreicht werden können.

Wenn die bislang beschriebenen Applikationsformen nicht greifen, können Schmerzmedikamente zur längerfristigen Therapie von Krebsschmerzen auch kontinuierlich durch eine Schmerzpumpe über die Vene oder die Haut verabreicht werden. Über eine solche Schmerzpumpe lassen sich bei Durchbruchsschmerzen auch die zusätzlichen Bedarfsmedikamente verabreichen. Viele Betroffene können dadurch mit einer gewissen Unabhängigkeit in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Der Einsatz von Schmerzpumpen setzt die Einbeziehung spezieller Schmerz- oder Palliativdienste und eine gute Schulung der Patienten voraus.

Häufig verwendete Arzneimittelgruppen in der Therapie von Tumorschmerzen

  • Nicht- oder Non-Opioide
    • Lokalanästhetika
    • Entzündungshemmende Schmerzmedikamente (auch Rheumamedikamente genannt)
    • Nicht entzündungshemmende Schmerzmedikamente (zum Beispiel Paracetamol, Metamizol)
  • Opioide
    • Schwach und mittelstark wirksame Opioide (zum Beispiel Tramadol, Tilidin, Codein)
    • Stark wirksame Opioide (zum Beispiel Morphin, Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl, Buprenorphin, Levomethadon)
  • Antineuropathika
    • Antidepressiva, Antiepileptika, Lokaltherapeutika (zum Beispiel Lidocain, Capsaicin)
  • Ergänzende Medikamente (Ko-Analgetika)
    • Unter anderem Steroide, Antidepressiva, Antiepileptika, Anxiolytika, Bisphosphonate, Medikamente zur Beeinflussung der gastrointestinalen Motilität, Somatostatinanaloga zur Sekretionshemmung der Bauchspeicheldrüse
  • Medikamente zur Vermeidung von Nebenwirkungen der Schmerztherapie
    • Abführmittel, Medikamente gegen Übelkeit
  • Andere Behandlungsmöglichkeiten
    • Operation / Strahlentherapie
    • Physiotherapeutische Maßnahmen
    • Psychosoziale Maßnahmen

Kombination von Schmerzmitteln

Häufig ist eine Kombination von unterschiedlich wirksamen Schmerzmitteln bei Tumorschmerzen sinnvoll. Das setzt allerdings eine genaue Kenntnis der Wirkungsweise und Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente sowie der Vorerkrankungen des Betroffenen voraus: Denn manche Kombinationen verbessern die schmerzlindernde Wirkung, ohne die Nebenwirkungen zu vermehren; andere Schmerzmittel dürfen dagegen nicht kombiniert werden, da sie sich in ihrer Wirkung sogar gegenseitig behindern oder aber zu mehr Nebenwirkungen führen.

WHO-Stufenschema

Bewährt hat sich die Therapie von Krebsschmerzen nach einem Stufenschema, wie es seit über 30 Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen wird. Bei diesem Schema wird zwischen schwachen, mittelstarken und starken Schmerzen unterschieden und nach dem Prinzip „Schmerzen werden nach ihrer Stärke behandelt” vorgegangen. Für jede der drei Schmerzstufen gibt es danach eine Gruppe von Schmerzmedikamenten (Analgetika). Reichen sie nicht mehr aus, wird auf die nächsthöhere Stufe der Schmerzbehandlung gewechselt. Dabei kann es sein, dass bei Bedarf gleich die Schmerzmittel von Stufe 2 oder 3 eingesetzt werden.

Ergänzend zu den Schmerzmedikamenten können auf allen drei Stufen weitere Medikamente (Ko-Analgetika) oder sonstige Maßnahmen bei Tumorschmerzen sinnvoll sein.

Stufe 1 leichte Tumorschmerzen

Nach dem WHO-Stufenschema werden leichte Schmerzen mit Schmerzmitteln behandelt, die keine Opioide enthalten (nicht-Opioid-Analgetika). Sie wirken besonders dort, wo der Schmerz entsteht. Diese Medikamente enthalten beispielsweise die Wirkstoffe Metamizol, Paracetamol, Diclofenac, Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen, die viele Menschen gegen Kopf- oder Rückenschmerzen einnehmen.

Entsprechend der Leitlinie kann Metamizol bei leichten Tumorschmerzen eingesetzt werden. Zusätzlich zur schmerzstillenden Wirkung kann Metamizol Fieber senken, und es hat krampflösende Eigenschaften. Paracetamol stillt die Schmerzen nach Expertenmeinung nicht ausreichend.

Stufe 2 mittelstarke Tumorschmerzen

Auf Stufe 2 sollten nicht-Opioid-Analgetika zusätzlich mit schwachen opoidhaltigen Schmerzmitteln (Opioid-Analgetika) kombiniert werden, die besonders die Schmerzweiterleitung und -verarbeitung verhindern. Diese Medikamente enthalten beispielsweise die Wirkstoffe Tramadol und Tilidin / Naloxon sowie niedrig dosiert Oxycodon, Morphin und Hydromorphon. Die Leitlinie empfiehlt die Kombination mit Metamizol.

Stufe 3 starke Tumorschmerzen

Auf Stufe 3, also bei starken Krebsschmerzen, sollen die Betroffenen nach Meinung der Experten starke Opioid-Analgetika erhalten. Diese Medikamente enthalten beispielsweise die Wirkstoffe Oxycodon, Morphin und Hydromorphon in höheren Dosierungen. Levomethadon wirkt genauso gut wirkt wie die oben genannten Opioid-Analgetika; es kann aber zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen führen wie Schläfrigkeit und Benommenheit und sollte daher nur von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten verabreicht werden.

Wirkt das zuerst eingesetzte Opioid nicht ausreichend oder fallen die Nebenwirkungen zu schwer aus, kann ein anderes Opioid geben werden. Ergänzend kann der Betroffene nicht-Opioid-Analgetika wie Metamizol oder Paracetamol und nicht-steroidale Analgetika erhalten.

Ergänzende Medikamente

Ergänzende Medikamente, die selbst gar nicht zu den Schmerzmitteln zählen, haben ihren festen Platz in diesem WHO-Stufenschema. Indem sie die Wahrnehmung von Schmerzen verändern, unterstützen sie die Behandlung von Krebsschmerzen sehr gut. Diese ergänzenden Medikamente werden auch als Ko-Medikamente /Ko-Analgetika bezeichnet.

Beispielsweise lassen sich von den Nerven ausgehende Tumorschmerzen, sogenannte Nervenschmerzen, nicht immer wirksam mit Opioiden behandeln. Hier können Medikamente hilfreich sein, die sonst gegen eine Depression (Antidepressiva) oder Krampfanfälle (Antikonvulsiva) eingesetzt werden. Gegen Nervenschmerzen helfen zum Beispiel die Wirkstoffe Amytriptylin, Gabapentin oder Pregabalin. Diese Medikamente sind als sogenannte Antineuropathika zur Behandlung von Nervenschmerzen zugelassen.

Wenn ein Tumor Schmerzen auslöst, kann das vielfältige Folgen für den Körper und die Seele haben und vorhandene Beschwerden wie Ängste, Depressionen oder Schlafstörungen verstärken beziehungsweise hervorrufen. Dies wirkt sich dann wiederum auf das Schmerzempfinden aus. Auch in diesen Fällen können Antidepressiva helfen.

Ausführliche Informationen zur Behandlung von Krebsschmerzen enthalten die Patientenleitlinien Palliativmedizin für Patientinnen und Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung und Psychoonkologie – Psychosoziale Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige.

Welche Medikamente bei Ihnen zum Einsatz kommen, wann und wie oft Sie diese einnehmen sollen, wie die richtige Dosierung gefunden wird und ob Sie ergänzende Medikamente benötigen, wird Ihr Arzt ausführlich mit Ihnen besprechen. Erörtern Sie mit ihm auch Ihre eigenen Ziele und Vorerfahrungen mit einer Schmerztherapie und das mögliche weitere Vorgehen, wenn die besprochenen Maßnahmen nicht greifen.

Pharmakokinetik bei der medikamentösen Behandlung von Tumorschmerzen

Wie schnell und wie lange ein Arzneimittel im Körper wirkt, hängt sowohl vom Stoffwechsel des jeweiligen Betroffenen als auch von den physikalischen und chemischen Eigenschaften des Arzneimittels ab. Das Arzneimittelverhalten im Körper wird mit Pharmakokinetik bezeichnet.

Im Alter werden im Körper viele Medikamente langsamer abgebaut, so dass eine geringere Dosis als bei jungen Patienten zu einer ausreichenden Wirkstoffkonzentration im Blut oder Gewebe führt. Ähnlich muss die Dosis von manchen Schmerzmedikamenten – zum Beispiel von Morphin – bei einer eingeschränkten Leber- oder Nierenfunktion verringert werden, da diese über die Leber oder die Nieren ausgeschieden werden. Andere Arzneimittel werden jedoch erst in der Leber zum aktiven Wirkstoff umgebaut, so dass sie bei eingeschränkter Leberfunktion wie etwa bei einer fortgeschrittenen Lebermetastasierung in ihrer Wirksamkeit abnehmen.

Bei der Auswahl eines Schmerzmittels ist also seine Pharmakokinetik zu beachten, die wiederum über die Höhe der Einzeldosis und die Häufigkeit der Einnahme entscheidet. Es dauert eine bestimmte Zeit, bis von dem Medikament so viel im Blut oder Gewebe vorhanden ist, dass die schmerzlindernde Wirkung einsetzt (Wirkspiegel und Wirkeintrittszeit). Höhere Blutspiegel verursachen eventuell unerwünschte Nebenwirkungen (toxischer Bereich).

Das Medikament wird auch individuell unterschiedlich und verschieden schnell abgebaut oder aus dem Körper ausgeschieden. Danach richtet sich die Wirkdauer des Medikaments.

Bei starken durch einen Tumor ausgelöste Schmerzen ist es erstes Ziel der medikamentösen Schmerztherapie, möglichst schnell einen ausreichenden Wirkspiegel des Schmerzmedikaments im Körper zu erreichen und dem Betroffenen damit seine Schmerzen zu nehmen.

Stabiler Wirkspiegel bei Dauerschmerzen

Bei dauerhaft anhaltenden Tumorschmerzen sollen die Medikamente in regelmäßigen Zeitabständen gegeben werden, damit ihr Wirkspiegel möglichst so stabil gehalten wird, dass zwischenzeitlich keine Schmerzen auftreten (Durchbruchschmerzen). Gleichzeitig sollten unerwünschte Nebenwirkungen und toxische Blutspiegel vermieden werden.

Die drei folgenden Abbildungen zeigen schematisch, wie bei Dauerschmerzen eine wirksame Schmerzbehandlung erreicht werden kann.

Bei der praktischen Durchführung der Therapie von Tumorschmerzen kommen unterschiedliche Schmerzmittel zum Einsatz. Diese werden je nach Stärke der Krebsschmerzen sinnvoll kombiniert (vergleichen Sie dazu auch das WHO-Stufenschema ).

Welche Medikamente in welcher Dosis für Sie am besten geeignet sind und wie oft Sie diese einnehmen müssen, wird Ihr Arzt in enger Zusammenarbeit mit Ihnen ausfindig machen und einen auf Ihre ganz persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Therapieplan entwickeln. Ihre Mitarbeit ist dabei unverzichtbare Voraussetzung.

Wichtige Hinweise zur Anwendung von Schmerzmitteln

Tabletten, die länger wirken, indem sie ihren Arzneistoff verzögert freisetzen (Retardtabletten), dürfen in der Regel nicht geteilt oder zerkleinert werden, da dann die längere Wirkdauer verlorengeht und kurzfristig eine Überdosierung erfolgt.

Fentanyl- oder Buprenorphintabletten müssen unter der Zunge (sublingual) beziehungsweise in der Wangenschleimhaut (buccal) aufgelöst werden. Werden sie geschluckt oder über eine Magensonde gegeben, so wirken sie nicht ausreichend schmerzlindernd. Zudem stehen Fentanylzubereitungen als Nasenspray zur Behandlung von Durchbruchschmerzen zur Verfügung.

Bei einem Schmerzpflaster ist bei der erstmaligen Anwendung erst nach etwa zwölf bis 24 Stunden ein ausreichend hoher Blutspiegel zu erwarten, so dass in diesem Zeitraum überbrückend noch andere Schmerzmedikamente wie etwa Morphin gegeben werden müssen. Wird ein Schmerzpflaster entfernt, so ist das durch die Haut aufgenommene (resorbierte) Arzneimittel noch etwa zwölf bis 24 Stunden wirksam, was bei der Weiterbehandlung mit anderen Schmerzmedikamenten berücksichtigt werden muss.

Die Aufnahme des Arzneimittels durch die Haut erfolgt bei Fieber, sehr dünner, verletzter oder entzündeter Haut (beispielsweise bei einem Hautausschlag), äußerer Wärmeanwendung (zum Beispiel Wärmflasche, Sauna) schneller, so dass in diesen Fällen bei einem Schmerzpflaster keine verlässlichen Spiegel entstehen und eher mit Überdosierungen und kürzeren Wirkzeiten zu rechnen ist.

Verschreibung von stark wirksamen Opioiden

Die Verschreibung der stark wirksamen Opioide unterliegt besonderen Vorschriften, die der Gesetzgeber im sogenannten Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) geregelt hat. Die Vorschriften sollen einen Missbrauch dieser Medikamente verhindern.

In den letzten Jahren ist die Verschreibung von starken Opioiden deutlich erleichtert worden. Im Vergleich zu früher können heute auch bei einer hohen Tagesdosis die nötigen Schmerzmittel für einen ausreichend langen Zeitraum verordnet werden. Der Arzt muss dafür ein besonderes Rezept, das Betäubungsmittelrezept, verwenden. Es besteht aus drei Seiten, von denen eine der Arzt selbst behält, die anderen werden in der Apotheke abgegeben, die wiederum eine Seite an die Krankenkasse weitergibt. Im Ausnahmefall dürfen die stark wirksamen Schmerzmittel, die der BtMVV unterliegen, sogar mit einem normalen Rezept verordnet werden, und der Arzt kann das eigentlich vorgeschriebene dreiteilige BtM-Rezept nachreichen.

Wichtig: BtM-Rezepte sind ab Verschreibungsdatum nur sieben Tage gültig, müssen also schnell eingelöst werden.

Der Arzt darf innerhalb von 30 Tagen auch nur zwei Betäubungsmittel und davon eine festgelegte Höchstmenge verschreiben. Ausnahmen gibt es in begründeten Einzelfällen, dazu gehört zum Beispiel eine Urlaubsreise. Auf dem Rezept muss diese Ausnahme mit dem Buchstaben A gekennzeichnet sein.

Urlaubs- / Auslandsreisen

Bevor Sie in Urlaub fahren, denken Sie daran, dass Sie für die Zeit des Aufenthalts genügend Schmerzmittel gegen Ihre Tumorschmerzen zur Verfügung haben. Bei Auslandsreisen müssen Sie darüber hinaus darauf achten, welche Vorschriften Ihr Reiseziel für Betäubungsmittel hat.

Mögliche Vorschriften bei Auslandsreisen

  • Begrenze Menge an Schmerzmitteln erlaubt
  • Berücksichtigung der Betäubungsmittel bei der Zollerklärung
  • Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (Attest, Bescheinigung, gegebenenfalls in Englisch übersetzt)
  • Die genauen Vorschriften können Sie in Deutschland bei der Botschaft Ihres Reiseziels erfragen.

Für Bescheinigungen, die bestätigen, dass Sie Betäubungsmittel im Rahmen einer ärztlichen Behandlung von Tumorschmerzen bei sich haben, gibt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Formulare zum Herunterladen. Bitte achten Sie darauf, dass Sie für Länder des Schengenraums andere Formulare benötigen als für andere Länder.

Wenn Sie dauerhaft Opioide einnehmen, ist ein Opioidausweis sinnvoll, den Sie am besten immer bei sich haben. Auch Ihre Angehörigen sollten von diesem Ausweis wissen. Die Deutsche Schmerzliga bietet einen Opioidausweis zum Download in verschiedenen Sprachen an.

Praktische Hinweise für Urlaubs- / Auslandsreisen

  • Fragen Sie Ihren Arzt, ob eventuell die Dosierung angepasst werden muss, zum Beispiel weil andere schmerztherapeutische Maßnahmen wegfallen oder Schmerzpflaster auf schwitziger Haut eine höhere Dosis abgeben.
  • Denken Sie beizeiten an Zeitverschiebung und veränderte Klimabedingungen Ihres Urlaubslandes.
  • Stellen Sie sich auf mögliche Komplikation wie etwa Durchfall oder Erbrechen ein und nehmen Sie dafür eventuell notwendige Medikamente mit.
  • Wenn Sie Opioide einnehmen und in eine andere Zeitzone reisen, stellen Sie sich am besten sofort auf die neue Ortszeit ein.
  • Verteilen Sie bei der Reise Ihre Schmerzmittel auf verschiedene Gepäckstücke, falls eines abhanden kommt oder später eintrifft.
  • Wenn Sie mit dem Flugzeug anreisen, nehmen Sie Ihre Schmerzmittel im Handgepäck mit. Die Temperatur- und Druckverhältnisse im Gepäckraum können die Wirksamkeit beeinträchtigen.
  • Wenn Sie in sehr heiße Länder reisen, transportieren Sie die Schmerzmedikamente vorsorglich in einer Isoliertasche.

Nebenwirkungen bei einer Therapie von Tumorschmerzen

Viele Menschen mit Krebsschmerzen zögern, Medikamente einzunehmen, da sie Nebenwirkungen befürchten und ihren kranken Körper nicht zusätzlich mit Chemie belasten wollen. Anhaltende Schmerzen nehmen jedoch Lebensfreude und schwächen den kranken Körper noch mehr.

Somit ist es nicht sinnvoll, dass Sie Tumorschmerzen möglichst lange aushalten, bevor Sie zum ersten oder wiederholten Mal zu Schmerzmedikamenten greifen. Allerdings ist es sehr wichtig, die Medikamente mit andere Maßnahmen zur Schmerzlinderung zu kombinieren wie zum Beispiel physikalische Therapie, Physiotherapie oder auch Entspannungsverfahren.

In den Packungsbeilagen der Schmerzmedikamente finden sich meistens lange Listen von Nebenwirkungen, die bei der Einnahme des Präparats auftreten können. Dabei wird für den Laien in der Nomenklatur häufig nicht klar unterschieden zwischen den regelmäßig zu erwartenden Begleiterscheinungen, die mit der Arzneimittelwirkung zusammenhängen, und den seltenen oder sehr seltenen Nebenwirkungen beziehungsweise Komplikationen. Diese können bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen und Kontrollen vermieden, frühzeitig erkannt und manchmal bereits vorbeugend behandelt werden.

Ein erfahrener Schmerztherapeut weiß, wie er unerwünschte Nebenwirkungen weitgehend verhindern oder beheben kann, so dass Ihnen wenn notwendig auch über Jahre geholfen werden kann. Lassen Sie sich deshalb von den Packungsbeilagen der Medikamente nicht verunsichern.

Gerade die Einnahme von Morphin und anderen Opioiden ist auch heute immer noch mit angstvollen Vorbehalten vor Rauschgift und Befürchtungen von Abhängigkeit und Kontrollverlust verbunden.

Langjährige Erfahrungen belegen jedoch: Eine den Schmerzen angepasste Behandlung mit Opioiden führt nur selten zu psychischer Abhängigkeit und Sucht.

Denn genauso, wie für Zuckerkranke regelmäßige Insulinspritzen lebensrettend sind, die für andere Menschen gefährlich wären, wirken Morphinmedikamente im Körper von Schmerzpatienten ganz anders als bei Menschen, die Opioide missbräuchlich einnehmen.

Im Vergleich zu anderen Schmerzmitteln führen Opioide sogar viel seltener zu Nebenwirkungen an Organen, das heißt, sie bergen nicht das Risiko von Magengeschwüren, Blutbildveränderungen, Leber- oder Nierenschädigungen.

Kompetent eingesetzt handelt es sich also gerade bei Opioiden um sehr sichere Arzneimittel, die sich besonders in der Tumorschmerztherapie auch für die Langzeitanwendung eignen.

Auch wenn Patienten mit starken Tumorschmerzen hohe Dosen von Morphin oder anderen Opioiden zur Schmerzlinderung erhalten, sind Befürchtungen im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der Atmung (Atemdepression) unbegründet. Opioide verringern sogar Luftnot, beispielsweise wenn tumor- oder ergussbedingt die Atmung beeinträchtigt ist.

Die zuvor geschilderten Bedenken und Ängste vor einer Behandlung von Krebsschmerzen mit stark wirksamen Opioiden führten dazu, dass sie in der Vergangenheit oft erst (zu) spät oder in nicht ausreichend wirksamer Dosis eingesetzt wurden und die Patienten unnötig Schmerzen leiden mussten.

Je später Schmerzen gut behandelt werden, desto höher ist das Risiko, dass die am Schmerzgeschehen beteiligten Nerven diese Schmerzen lernen, so dass das Leiden der Betroffenen eventuell auch chronisch wird.

Verstopfung als Nebenwirkung

Regelmäßige Begleiterscheinung einer Behandlung von Tumorschmerzen mit Morphin oder anderen Opioiden ist die Darmträgheit. Sie zu beseitigen, ist manchmal schwieriger, als den Schmerz zu behandeln. Um eine Verstopfung zu verhindern, sollten Sie deshalb während der gesamten Behandlungsdauer vorbeugend und regelmäßig Abführmittel einnehmen.

Um den gewünschten Erfolg zu erzielen, müssen die Abführmittel oft deutlich höher dosiert werden, als es in vielen allgemeinen Dosisempfehlungen angegeben ist. Manchmal ist auch die Kombination von Abführmitteln sinnvoll, deren unterschiedliche Wirkmechanismen sich ergänzen.

Hinweis: Denken Sie darüber hinaus daran, dass Sie ausreichend Flüssigkeit – mindestens zwei Liter pro Tag – trinken.

Müdigkeit als Nebenwirkung

Eine weitere Begleiterscheinung des Morphins und morphinähnlicher Medikamente ist die Müdigkeit, die meist zu Beginn der Behandlung und bei Dosiserhöhungen auftritt. Allerdings lässt sich das erhöhte Schlafbedürfnis in vielen Fällen durch die vorhergehende Schlaflosigkeit erklären, die durch die starken Schmerzen verursacht wurde. Nach ein paar Tagen fühlen sich die meisten Betroffenen in der Regel wieder wach und ausgeschlafen.

Dauert die Müdigkeit an, ist diese bei den meisten Betroffenen dann eher durch die Tumorerkrankung selbst (besonders bei Lebermetastasen oder Blutarmut) oder durch andere Medikamente (etwa zur Behandlung von Juckreiz oder Übelkeit) bedingt.

Auch wenn es paradox klingt: Dann kann Ihnen gezielte und auf Ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten abgestimmte Bewegung helfen.

Die positiven Auswirkungen solcher kontrollierten Trainingsmaßnahmen sind mittlerweile durch wissenschaftliche Untersuchungen gut belegt. Würden Sie hingegen jegliche Anstrengungen vermeiden in der Hoffnung, auf diese Weise Kraft sammeln zu können, hätte dieses Verhalten genau die gegenteilige Wirkung: Ihre körperliche Leistungsfähigkeit würde mehr und mehr abnehmen.

Darüber hinaus weiß man heute, dass Bewegung auch das Gesamtbefinden und die subjektive Lebensqualität positiv beeinflusst. Nähere Informationen enthält die Broschüre Bewegung und Sport bei Krebs – Die blauen Ratgeber 48 der Deutschen Krebshilfe.

 

Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkungen

Übelkeit und Erbrechen können in der ersten Zeit nach Beginn der Therapie von Tumorschmerzen vorübergehend auftreten. Es ist deshalb zu Beginn einer Behandlung mit starken Opioiden zu erwägen, in den ersten drei bis fünf Tagen vorbeugend wirksame Begleitmedikamente einzunehmen, um diese unangenehmen Nebenwirkungen verhindern. Sie können damit allerdings auch erst beginnen, wenn die Opioide Übelkeit und Erbrechen verursachen. Abhilfe können zum Beispiel täglich dreimal fünf Tropfen Haloperidol oder dreimal 30 Tropfen Metoclopramid (MCP-Tropfen) schaffen. Manche MCP-Tropfen sind in gewissen Dosierungen nicht mehr zugelassen, ersatzweise gibt es Metoclopramid-Tabletten, von denen zum Beispiel dreimal 10 mg eingenommen werden können.

Begleitmedikamente bei Tumorschmerzen

In vielen Fällen wird Ihr Arzt Ihnen Begleitmedikamente empfehlen und verordnen, um die Wirkung der Therapie der Tumorschmerzen zu verstärken und mögliche Nebenwirkungen der Behandlung mit opioidhaltigen Schmerzmitteln zu abzuschwächen.

Aus der großen Gruppe der Begleitmedikamente bei Krebsschmerzen möchten wir einige besonders hervorheben

  • Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) zum Beispiel Haloperidol oder MCP-Tropfen / -Tabletten.
  • Steroide sind weitere wichtige Begleitmedikamente, die auf sehr unterschiedliche Weise wirken. In niedriger Dosierung wirken Steroide appetitsteigernd und allgemein aufbauend. Dies führt zu einem besseren Allgemeinbefinden. In höherer Dosierung haben Steroide durch die abschwellende Eigenschaft in vielen Fällen eine gute schmerzlindernde Wirkung (zum Beispiel bei metastasenbedingten Leberkapsel-, Nerven- oder hirndruckbedingten Kopfschmerzen).
  • Medikamente, die gegen Depressionen (Antidepressiva) und bei epileptischen Krampfanfällen (Antikonvulsiva) eingesetzt werden. Diese Mittel hemmen die Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung und sind besonders wichtig bei quälenden Nervenschmerzen. Medikamente aus der Gruppe der Antidepressiva erreichen dabei ihre günstige Wirkung meist bei viel niedrigeren Dosen, als sie für die Behandlung einer Depression notwendig sind. Verordnet Ihr Arzt Ihnen also derartige Medikamente im Rahmen der Schmerztherapie, so bedeutet dies nicht, dass er bei Ihnen zusätzlich Depressionen festgestellt hat.
  • Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung einer Opioidbedingten Verstopfung (Laxanzien): Macrogol 1 – 3 Beutel täglich; Bisacodyl 5 – 15 mg; Natriumpicosulfat 7,5 – 15 mg; Mikroklistiere. Naloxegol 25 mg / 1 ml / Tag, wenn andere Mittel unzureichend wirken.

Auch für die Auswahl der Zusatzmedikamente gilt, dass Ihre allgemeinen Begleit- und Vorerkrankungen berücksichtigt werden müssen.

Exemplarischer Therapieplan bei Krebsschmerzen

Nach der Vielzahl der theoretischen Informationen möchten wir Ihnen im Folgenden einen Überblick darüber verschaffen, wie die Kombination der verschiedenen Medikamente bei einer Schmerztherapie von Tumorschmerzen aussehen kann. Dazu finden Sie hier beispielhaft einen Therapieplan.

Schmerztagebuch bei Krebsschmerzen

Zu Beginn der Therapie Ihrer Tumorschmerzen und unter Umständen auch im weiteren Verlauf der Behandlung wird Ihr Arzt Ihnen viele Fragen über die Art, den Ort und die Intensität Ihrer Krebsschmerzen stellen. Ihre Antworten sind die Voraussetzung dafür, dass die genau auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Behandlung entwickelt werden kann.

Je genauer Sie Auskunft geben können, desto besser und schneller wird Ihr Arzt Ihnen helfen können.

Für viele Betroffene hat es sich dabei als hilfreich erwiesen, zu Beginn der Schmerztherapie oder bei Krebsschmerzen, deren Behandlung schwerer in den Griff zu bekommen ist, ein sogenanntes Schmerztagebuch zu führen. Dort halten Sie den Zeitpunkt, zu dem Sie Schmerzen haben, fest, beschreiben deren Charakter – etwa stechend, brennend – und bestimmen ihre Stärke auf einer Skala von 0 bis 10. Dabei bedeutet 0 keine Schmerzen, 10 stellt die stärksten vorstellbaren Schmerzen dar.

Wenn Sie gegen plötzlich auftretende Tumorschmerzen (Durchbruchschmerzen) zusätzliche Schmerzmedikamente einnehmen, tragen Sie auch dies ein. So kann Ihr Arzt erkennen, in welchem Zusammenhang bestimmte Schmerzen auftreten, und den Schmerztherapieplan verbessern.

Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihre Krebsschmerzen durch die Medikamente befriedigend und stabil unter Kontrolle gehalten werden, können Sie auf das Ausfüllen des Schmerztagebuches verzichten. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit stattdessen wieder mehr auf positive Alltagserlebnisse.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen bei Tumorschmerzen

In ausgewählten Fällen können neben Medikamenten auch nicht-medikamentöse Maßnahmen Krebsschmerzen lindern, so etwa Operation oder Strahlentherapie, um Metastasen zu entfernen. Physiotherapeutische Verfahren – hierzu gehören Massagen, Bäder oder Lymphdrainage – können das Befinden von Betroffenen allgemein verbessern.

Psychosoziale Unterstützungsangebote können den Betroffenen helfen, mit Ängsten und Spannungen besser umzugehen. Auch dies kann zur Linderung von Schmerzen beitragen. Zu psychosozialen Verfahren gehören zum Beispiel autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation, Gespräche oder künstlerische Therapieverfahren (Musik-, Tanz- oder Maltherapie).

Zu den nicht-medikamentösen Maßnahmen zählen beispielsweise:

Physikalische Therapie

Hierzu gehören unter anderem Massagen, Krankengymnastik, Lymphdrainage, manuelle Therapie, aber auch Schienen, Gehhilfen, Bäder und lokale Kälte- oder Wärmeanwendungen. Viele Methoden der physikalischen Therapie können eine medikamentöse Behandlung sinnvoll ergänzen und wesentlich zur Schmerzlinderung beitragen. Wenn Sie aufgrund Ihrer Tumorerkrankung etwa eine Schonhaltung einnehmen, die zu schmerzhaften Verspannungen führt, lassen sich diese durch physikalische Maßnahmen oft lösen und / oder neue, entlastende Bewegungsmuster entwickeln. Gezieltes Muskeltraining kann die Mobilität stabilisieren und verbessern. Physikalische Maßnahmen wirken darüber hinaus entzündungshemmend.

Gegen Schlafstörungen, Störungen im Wärmehaushalt oder Beschwerden beim Stuhlgang können Massagen, Wickel oder Bäder sowie krankengymnastische Übungen helfen.

Viele physiotherapeutische Anwendungen wirken sich positiv auf den seelischen Zustand des Betroffenen aus und tragen dazu bei, Stress abzubauen.

Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

Eine weitere Möglichkeit, Krebsschmerzen zu lindern, ist die transkutane elektrische Nervenstimulation, kurz TENS, die besonders nach Amputationen und bei neuropathischen Schmerzen als Ergänzung zu anderen Verfahren eingesetzt werden kann. Wie die Akupunktur basiert dieses Verfahren darauf, Schmerzen durch einen Gegenreiz zu unterdrücken, der über nicht schmerzleitende Nervenfasern schneller zum Gehirn gelangt. Auf den schmerzenden Bereich werden Elektroden geklebt, die elektrische Impulse abgeben, die jeweiligen Nervenfasern reizen und einen schmerzlindernden Gegenreiz auslösen. Bei gutem Ansprechen lässt sich durch die TENS manchmal sogar die Dosis der Medikamente gegen Tumorschmerzen verringern.

Für Menschen mit Herzschrittmachern oder elektronischen Implantaten ist die TENS allerdings nicht geeignet. Auch bei Herzrhythmusstörungen oder schwangeren Frauen muss der Arzt entscheiden, ob sie angewendet werden darf.

Die kleinen Geräte können vom Arzt verordnet und über die Krankenkasse ausgeliehen werden.

Akupunktur

Viele Studien haben mittlerweile die Wirksamkeit von Akupunktur bei Krebsschmerzen untersucht und gezeigt, dass sich chronische Schmerzen häufig vermindern lassen, wenn auch nur kurzfristig. Die Nadeln reizen die Nerven und aktivieren das körpereigene schmerzhemmende System. Die Kosten für die Akupunkturbehandlung werden nur teilweise von den Krankenkassen übernommen. Bitte fragen Sie vor Beginn der Behandlung bei Ihrem Arzt oder eher noch bei Ihrer Krankenkasse nach.

Psychologische und psychotherapeutische Maßnahmen

Ansätze der psychologischen und psychotherapeutischen Medizin können sowohl die Schmerzwahrnehmung als auch das Schmerzerleben verändern. Im Vordergrund stehen hier Entspannungsübungen, Techniken der Aufmerksamkeitslenkung, Umbewertungen im Schmerzerleben und Veränderungen des Krankheitsverhaltens. Häufig führen sie bei den Betroffenen zu einem wieder positiven Lebensgefühl.

Gespräche mit Angehörigen und Therapeuten, Ablenkung oder die bewusste Hinwendung zu anderen Themen und Gedanken können zum Gelingen einer Therapie von Tumorschmerzen beitragen oder es sogar erst ermöglichen. Nicht zuletzt können existentielle Sorgen und Nöte das Schmerzerleben verstärken, so dass einige Patienten unterstützende Angebote durch Sozialarbeiter und Seelsorger als hilfreich erleben.

Strahlentherapie

Die Strahlentherapie nimmt in der Behandlung von Tumorschmerzen ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Dies gilt besonders bei Knochenschmerzen, die durch Metastasen hervorgerufen werden. Häufig führt bereits eine relativ niedrige Strahlendosis in wenigen Fraktionen zu einer deutlichen und nachhaltigen Schmerzlinderung, zum Beispiel von Rückenschmerzen bei Krebs.

Systemtherapie

Bei manchen Krebserkrankungen – etwa bei Lymphomen oder bestimmten Formen von Prostatakrebs – lassen sich durch eine Chemotherapie oder Hormontherapie schmerzhafte Tumorknoten sehr schnell verkleinern, so dass dann möglicherweise keine weiteren Schmerzmedikamente erforderlich sind.

Operative Verfahren

Die neurochirurgische Durchtrennung von schmerzleitenden Fasern im Rückenmark hat heute nur noch einen sehr geringen Stellenwert bei der Behandlung von Tumorschmerzen.

Andere chirurgische Maßnahmen können die Therapie von Krebsschmerzen sehr unterstützen: beispielsweise indem metastasenbedingte Knochenbrüche stabilisiert, schmerzhafte Eiterherde (Abszesse) aufgeschnitten oder die Ursache der krampfartigen Bauchschmerzen bei einem Darmverschluss operativ behoben werden.

Weitere Informationen

    Letzte Aktualisierung

    • Wissenschaftliche Überarbeitung Juli 2021

    Text und Redaktion

    • Dr. Désirée Maßberg, Stiftung Deutsche Krebshilfe
    • Sandra von dem Hagen, Stiftung Deutsche Krebshilfe
    • Isabell-Annett Beckmann, Stiftung Deutsche Krebshilfe

    Medizinische Beratung

    Prof. Dr. med. F. Lordick
    Universitätsklinikum Leipzig
    AöR Direktor des Universitären Krebszentrums Leipzig (UCCL)
    Liebigstraße 20 / Haus 4
    04103 Leipzig

    Prof. Dr. med. B. van Oorschot
    Leitende Oberärztin Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin
    Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie
    Universitätsklinik Würzburg
    Josef-Schneider-Str. 2
    97080 Würzburg

    Priv.-Doz. Dr. med. E.-M. Brede
    Leiter der Schmerzambulanz
    Spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin
    Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie
    Universitätsklinikum Würzburg
    Schmerzambulanz, Bau C13
    Josef-Schneider-Straße 2
    97080 Würzburg

    Quellen

    Zur Erstellung dieser Broschüre wurden die nachstehend aufgeführten Informationsquellen herangezogen:

    • Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung, Langversion 1.0, 2015, AWMF-Registernummer: 128/001OL, leitlinienprogramm-onkologie.de/Palliativmedizin.80.0.html (Zugriff Mai 2016)*
    • Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Patientenleitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung, September 2015
    • Krebs in Deutschland für 2015/2016. 12. Ausgabe. Robert Koch-Institut und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg), Berlin, 2019
    • Berufliche Rehabilitation: Ihre neue Chance. Deutsche Rentenversicherung Bund, 13. Auflage (4/2018)
    • Mit Rehabilitation wieder fit für den Job. Deutsche Rentenversicherung Bund, 12. Auflage (8/2017)
    • Klinische Studien. Stiftung Deutsche Krebshilfe, 2017
    • Krebswörterbuch. Stiftung Deutsche Krebshilfe, 2017

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