Förderschwerpunkt „Präklinische Wirkstoffentwicklung “
Bonn, Hamburg (ast) – Neben Operation, Strahlen- und Chemotherapie haben zielgerichtete Therapien die Behandlung einiger Krebsarten in den vergangenen Jahren entscheidend verbessert. Als großer Hoffnungsträger gilt dabei die Immuntherapie, die sich das körpereigene Abwehrsystem zunutze macht. Forschende der Universitätskliniken Bonn und Hamburg-Eppendorf wollen nun spezifische Erkenntnisse aus der Immunologie in die Entwicklung neuartiger Immuntherapien einbringen. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das Projekt „THUNDER“ im Rahmen ihres Förderschwerpunktprogramms „Präklinische Wirkstoffentwicklung“ mit 4,2 Millionen Euro.
Ein zentrales Element der Immuntherapie ist, Krebszellen mit künstlich hergestellten Markern zu kennzeichnen, um dem Immunsystem zu zeigen, welche Zellen es angreifen soll. Therapieansätze, die diese Marker (im Fachjargon monoklonale Antikörper genannt) einsetzen, sind bereits im klinischen Einsatz. Jedoch eignet sich das Verfahren bisher noch nicht für alle Tumorarten. Mit Hilfe von sogenannten Nanobodies will das Forschungsprojekt „Nationales Zentrum für Nanobody Tumor Theranostika (THUNDER)“ hier Abhilfe schaffen. „Monoklonale Antikörper sind verhältnismäßig große Moleküle und können nur schwer durch Gewebe wandern, vor allem bei Tumoren, die schlecht durchblutet sind", erläutert die federführende Koordinatorin des Projektverbunds, Professorin Dr. Katja Weisel, stellvertretende Direktorin des Hubertus Wald Tumorzentrums des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und federführende Koordinatorin von THUNDER. „Unsere Nanobodies leiten sich von Antikörpern ab und sind nur etwa ein Zehntel so groß. Damit eignen sie sich hervorragend für weitere Modifikationen, die eine Therapie oder Bildgebung noch zielgerichteter und effektiver machen.“
Doppelt hält besser
Als Bindungsstelle für die Nanobodies dienen einzigartige Oberflächenstrukturen auf dem Tumor. Ähnlich wie ein Schlüssel nur ein einziges Schloss öffnen kann, binden die Nanobodies nur an ganz bestimmte dieser Oberflächenmoleküle. In manchen Fällen verändern sich die Bindungsstellen der Tumorzellen jedoch geringfügig, sodass sie nicht mehr von den Nanobodies erkannt werden können und die Immuntherapie wirkungslos bleibt. Dies wird als Immunflucht bezeichnet. Daher möchten die Forschenden z.B. zwei oder mehrere Nanobodies miteinander verbinden, die jeweils unterschiedliche Bereiche der Krebs-spezifischen Bindungsstellen erkennen. So attackieren sie die Tumorzelle von zwei Seiten gleichzeitig und erschweren die Immunflucht. Das Team forscht im Rahmen des Projekts außerdem daran, die Nanobodies mit verschiedenen molekularen Werkzeugen zu koppeln. Je nach Behandlungsstrategie können Nanobodies beispielsweise mit einem Signal versehen werden, das weitere Zellen des Immunsystems anlockt. Die Nanobodies sind aber auch für die Krebsdiagnostik interessant: Durch die Kombination mit bildgebenden Markierungssignalen böten die Nanobodies eine nicht-invasive Methode zur Erkennung auch von kleinesten Tumoren oder Metastasen. Der Forschungsverbund kombiniert die sich ergänzende Expertise der zwei deutschen Onkologischen Spitzenzentren in Hamburg und in Bonn und vereint so die Forschung an Nanobodies mit der klinischen Onkologie. Damit können die Forschenden auf eine einzigartige Weise bereits während der Entwicklung ihrer Nanobody-Konstrukte die erfolgreiche Überführung in die klinische Prüfung planen.
Der Tumor in der Petrischale
Doch wie testet das Forschungsteam die therapeutische Wirksamkeit der Nanobodies? Professor Dr. Michael Hölzel, Direktor des Instituts für Experimentelle Onkologie des Universitätsklinikums Bonn und einer der Sprecher des Konsortiums, unterstreicht: „Viele Betroffene fragen sich trotz ihrer schweren Lage, wie sie die Forschung und Entwicklung neuer Therapien unterstützen können. Deshalb haben wir dank vieler Gewebespenden eine große Sammlung von Tumorfragmenten, die fast alle molekularen Eigenschaften des echten Tumors tragen.“ Denn bevor ein neu entwickeltes Krebsmedikament im Menschen erprobt werden kann, muss seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im Rahmen von vorklinischen Studien getestet und, falls nötig, weiter verbessert werden.