„Auch in Krisenzeiten ein verlässlicher Partner“

Die Versorgung von Krebspatienten stetig zu verbessern – mit diesem Ziel hat die Deutsche Krebshilfe auch im Jahr 2019 ihre zahlreichen Aktivitäten auf allen Gebieten der Krebsbekämpfung ausgerichtet. Im Gespräch zieht der Vorstandsvorsitzende Gerd Nettekoven Bilanz.

Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe (Foto: Jan Tepass/Deutsche Krebshilfe)

Herr Nettekoven, was verbinden Sie mit dem vergangenen Jahr?

Derzeit überlagert die Corona-Pandemie ja nahezu alle anderen, ebenfalls wichtigen Themen, und die Zeit vor dieser Krise scheint in weite Ferne gerückt. Dennoch möchte ich zurückblicken und darf festhalten, dass die Deutsche Krebshilfe mit dem Jahr 2019 erneut ein sehr erfolgreiches Jahr abgeschlossen hat. Das Vertrauen der Bevölkerung in unsere Arbeit ist weiterhin ungebrochen, und es ist das Fundament, auf dem alle unsere Aktivitäten stehen. Es versetzt uns in die Lage, eine der wichtigsten Stützen in unserem Land in der Krebsbekämpfung zu sein und relevante Akzente zu setzen, wie beispielsweise in der Forschung oder der unmittelbaren Versorgung von Krebspatienten.

Besonders wichtig ist mir aber immer, dass wir mit unseren zahlreichen Projekten und Initiativen auch die entsprechende Wirkung erzielen. Und das ist uns im Jahr 2019 wieder gelungen. Beispielhaft nenne ich unsere jahrelangen Bemühungen zur besseren ambulanten psychosozialen Versorgung von Krebspatienten. Über ein Jahrzehnt haben wir mit einem gezielten Programm sogenannte Psychosoziale Krebsberatungsstellen finanziert mit dem Ziel, für diese wichtigen Strukturen eine nachhaltige Regelfinanzierung durch die Kranken- und Sozialversicherungsträger zu erreichen. Auch wenn dies noch nicht in vollem Umfang gelungen ist, so ist mit einer gesetzlich geregelten Teilfinanzierung durch die Krankenkassen ab dem 1. Januar 2020 ein wichtiger Meilenstein erreicht worden.

Das Jahr 2019 war aber auch geprägt von zahlreichen intensiven Diskussionen in unseren Fachausschüssen mit dem Ziel, wichtige Themenfelder zu definieren und neue Programme der Deutschen Krebshilfe zu erarbeiten, von denen Krebspatienten in Zukunft unmittelbar profitieren sollen. Die sehr gewissenhaften und konstruktiven Beratungen durch die Krebsexperten in unseren Gremien haben mich wirklich beeindruckt.

Wo lagen Schwerpunkte Ihrer Arbeit im letzten Jahr?

Diese Frage lässt sich kaum mit nur wenigen Sätzen beantworten. Die Krebsbekämpfung ist sehr komplex und umfangreich. Von daher ist das Spektrum unserer Aktivitäten auch sehr breit. Die Deutsche Krebshilfe ist auf zahlreichen Feldern sichtbar, wie beispielsweise in der Krebsforschung, die Jahr für Jahr mit im Fokus unserer Arbeit steht. Was auch im Sinne unserer Spender ist. Ihnen ist bewusst, dass die Krebsmedizin und damit die Behandlung von Krebspatienten nur durch innovative Forschung verbessert werden können. Neben zahlreichen Forschungsprojekten auf allen Gebieten der Onkologie haben wir im vergangenen Jahr zudem ein Förderprogramm auf den Weg gebracht, mit dem wir gezielt Forschungsvorhaben fördern, die die Entwicklung neuer, visionärer Strategien in der Krebsbekämpfung zum Ziel haben. Mit den hier geförderten Projekten greifen wir bewusst auch „gewagte“ Ideen und Visionen auf, die von anderen Förderorganisationen wohl kaum gefördert würden. Es war immer die Stärke der Deutschen Krebshilfe, solche Wege zu gehen, Visionen aufzugreifen und auch risikoreiche Vorhaben umzusetzen, was in der Vergangenheit oft zu erfolgreichen Entwicklungen in der Onkologie geführt hat.

Die von uns vor 13 Jahren initiierten Onkologischen Spitzenzentren standen auch im Jahr 2019 im Fokus unseres Wirkens. Mit der weiteren Förderung dieser Zentren haben wir zur Weiterentwicklung dieser wichtigen Versorgungs- und Forschungsstrukturen im Sinne von Krebspatienten beigetragen. Die von uns angestoßene Entwicklung der „Comprehensive Cancer Center“ findet inzwischen weltweit Beachtung. Nicht umsonst wurde dem langjährigen Vorsitzenden der internationalen Gutachterkommission für dieses Programm, Herrn Professor Dr. Alexander Eggermont aus den Niederlanden, der Deutsche Krebshilfe Preis 2019 verliehen. Es hat mich sehr gefreut, dass unser Beirat vorgeschlagen hat, Herrn Professor Eggermont mit diesem Preis auszuzeichnen. Er hat mit seinem wegweisenden Engagement, seinen Impulsen und seinem Weitblick unzweifelhaft großen Anteil an der von uns angestoßenen erfolgreichen Initiative.

Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld war für uns beispielsweise auch die Krebsprävention, in der wir nach wie vor ein enormes Potenzial, aber auch großen Handlungsbedarf sehen. Sie wird daher auch in Zukunft mit ganz oben auf unserer Agenda stehen. Denn rund 40 Prozent aller jährlich in Deutschland diagnostizierten Krebsneuerkrankungen wären vermeidbar, wenn alle Maßnahmen zur Vorbeugung tatsächlich umgesetzt würden. Dieses bisher ungenutzte Potenzial müssen wir im Blick haben. Neben einer verstärkten Informations- und Aufklärungsarbeit gilt das vor allem auch für die zwingend notwendige Präventionsforschung, die nicht nur in unserem Land, sondern weltweit unterrepräsentiert ist. Der gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg vorgesehene Aufbau eines Nationalen Krebspräventionszentrums soll vor allem die Krebspräventionsforschung voranbringen. Die mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum im vergangenen Jahr eingegangene strategische Partnerschaft wollen wir zudem nutzen, um die Krebsprävention auch auf politischer Ebene zu einem starken Thema zu machen. Mit der gemeinsam von beiden Organisationen initiierten 1. Nationalen Krebspräventionswoche im September 2019 haben wir den hohen Stellenwert der Krebsprävention sowohl in der Öffentlichkeit als auch der Politik gegenüber bereits deutlich gemacht.

Angedeutet hatte ich bereits neue Themenfelder, mit denen sich im vergangenen Jahr die zahlreichen Experten in unseren Beratungsgremien befasst haben und die neue Akzente in der Versorgung setzen sollen. Die Implementierung von Strukturen für Sport- und Bewegungstherapien bei Krebspatienten oder auch die onkologische Versorgung von Patienten mit Migrationshintergrund sind nur einige Beispiele von Themen, zu denen derzeit Förderprogramme und Initiativen der Deutschen Krebshilfe entwickelt werden. Aber auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Krebspräventionsforschung war den Experten ein Anliegen und wird von uns im Jahr 2020 in Form eines Förderprogrammes aufgegriffen.

Die Deutsche Krebshilfe ist auch in der Gesundheits- und Forschungspolitik ein wichtiger Gesprächspartner. Was waren 2019 Ihre Themen?

Mit unseren vielfältigen Aktivitäten auf allen Gebieten der Onkologie sind wir zwangsläufig auch gesundheits- und forschungspolitisch gefordert und aktiv. Wir sind in zahlreichen Gremien des „Nationalen Krebsplans“ des Bundesministeriums für Gesundheit und der im vergangenen Jahr vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgerufenen „Nationalen Dekade gegen Krebs“ vertreten. Die Verbindung insbesondere zu den politischen Krebsinitiativen und auch der ständige Dialog mit diesen ist für unsere Arbeit sehr wichtig. Hier hat sich in den vergangenen Jahren ein konstruktiver Dialog entwickelt. An unserer gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum im vergangenen Jahr ausgerichteten Pressekonferenz zur 1. Nationalen Krebspräventionswoche haben sowohl die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, als auch der Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, teilgenommen. Damit wird deutlich, wie eng wir mit maßgeblichen politischen Akteuren zusammenarbeiten, um grundlegende Initiativen und Veränderungen in der Krebsbekämpfung auf den Weg zu bringen.

Auch die schon angesprochene Regelfinanzierung von Psychosozialen Krebsberatungsstellen war im vergangenen Jahr Gegenstand zahlreicher Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium und auch dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Im Zuge der Erarbeitung eines Positionspapiers zum Thema Krebs und Armut war der Staatssekretär, Dr. Rolf Schmachtenberg, zur Diskussion Gast in unserem Patientenbeirat.

Das sind nur Beispiele. Es gibt zahlreiche weitere Themen, die wir regelmäßig – auch über unser Büro in Berlin – an die politischen Akteure adressieren und mit diesen erörtern.

Es war schon die Vision unserer Gründerin Mildred Scheel, die Bevölkerung als Bürgerbewegung für den Kampf gegen den Krebs zu mobilisieren. In ihrem Sinne sprechen wir die Menschen nach wie vor an.

Gerd Nettekoven

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe

Für wie viele Projekte haben Sie 2019 Mittel bewilligen können?

Wir haben im vergangenen Jahr Mittel für insgesamt 116 neue Projekte und Initiativen auf allen Gebieten der Krebsbekämpfung bereitgestellt. Unsere Schwerpunkte lagen dabei auf der Forschungsförderung mit zahlreichen Projekten und Studien auf den Gebieten der Grundlagenforschung, klinischen Forschung und der Versorgungsforschung sowie der Weiterförderung der bereits genannten Onkologischen Spitzenzentren. Aber auch in weitere Projekte der Kinderkrebsbekämpfung haben wir investiert sowie die Erarbeitung von Leitlinien für die qualitätsgesicherte Versorgung von Krebspatienten gefördert. Mit erheblichen Mitteln haben wir wiederum Krebs-Selbsthilfeorganisationen unterstützt. Und in unseren Härtefonds sind 4,6 Millionen Euro geflossen.

Wie hoch waren die Einnahmen 2019?

Über 127 Millionen Euro hat die Deutsche Krebshilfe im Jahr 2019 dankenswerterweise an Einnahmen verzeichnen können. Allein 71,7 Millionen Euro davon stammten aus Erbschaften und Vermächtnissen. Damit stellten die der Deutschen Krebshilfe anvertrauten Nachlässe wie in den vorangegangenen Jahren erneut den größten Einzelposten unter unseren Einnahmen dar. Ein großer Teil der Erbschaftserlöse fließt in neue Forschungsprojekte – damit kommen wir dem Wunsch vieler Menschen nach, die uns in ihrem Testament berücksichtigen. Aber auch die rund 373.000 Einzelspenden von Privatpersonen und Firmen mit über 31 Millionen Euro, die Erlöse aus Benefizaktionen sowie die Kondolenzspenden zugunsten der Deutschen Krebshilfe haben unsere erfolgreiche Arbeit im vergangenen Jahr ermöglicht.

Wie bewerten Sie das?

Die Spendenbereitschaft der Bevölkerung war auch im Jahr 2019 ungebrochen. Dafür sind wir sehr dankbar. Dieses außerordentlich hohe Spendenaufkommen ist für uns erneut ein großer Vertrauensbeweis. Es zeigt aber auch, dass unsere Arbeit von den Menschen in unserem Land wahrgenommen und anerkannt wird und wir mit unserem Einsatz für krebskranke Menschen sowie dem breit angelegten Spektrum unserer Aktivitäten richtigliegen. Es war schon die Vision unserer Gründerin Mildred Scheel, die Bevölkerung als Bürgerbewegung für den Kampf gegen den Krebs zu mobilisieren. In ihrem Sinne sprechen wir die Menschen nach wie vor an. Krebs ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Mit Dankbarkeit dürfen wir feststellen, dass viele Bürgerinnen und Bürger unserer Bitte um Unterstützung auch im letzten Jahr nachgekommen sind.

Was macht aus Ihrer Sicht die Glaubwürdigkeit der Deutschen Krebshilfe aus?


Ich denke, dass die Bevölkerung unseres Landes wahrnimmt, dass wir in der Tat glaubwürdig sind, aber auch unabhängig agieren. Wir haben in den fast 46 Jahren unseres Bestehens nachweislich mit dazu beigetragen, die Versorgung krebskranker Menschen in unserem Land immer weiter zu verbessern. Es ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass wir über keine öffentlichen Mittel verfügen, dass wir unsere Arbeit somit ausschließlich aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen finanzieren. Es ist aber auch bekannt, dass wir keine Spenden der pharmazeutischen Industrie, von Medizinprodukte- oder -geräteherstellern und verwandten Branchen annehmen, um unabhängig handeln zu können. Auch Spenden der Tabakindustrie sowie von Herstellern oder Vertreibern, deren Erzeugnisse ebenfalls eine nachweisbar krebserregende Wirkung haben, nehmen wir nicht an.

Und auch unsere Wirtschaftlichkeit ist ganz sicher ein Argument für unsere Glaubwürdigkeit. Unsere Rechnungsabschlüsse lassen wir jedes Jahr von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kontrollieren. Unsere Kosten für Verwaltung und Spendenakquise sowie unsere sonstigen Kosten lagen 2019 bei insgesamt 6,9 Prozent. Die Projektnebenkosten beliefen sich auf 3,4 Prozent. Das sind Zahlen, die ebenfalls zu unserer Glaubwürdigkeit beitragen.

Wer unterstützt Ihre Arbeit?

Die Arbeit der Deutschen Krebshilfe ist nur durch die breite Unterstützung der Bevölkerung möglich. Allen unseren Spendern, aber auch den zahlreichen Ärzten und Wissenschaftlern sowie den vielen anderen Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen, die sich ehrenamtlich für die Deutsche Krebshilfe engagieren, gebührt unser Dank. Sie alle tragen dazu bei, dass wir uns für krebskranke Menschen einsetzen können. Ohne sie wäre unsere Arbeit nicht möglich.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Zunächst einmal ist mir wichtig, dass Krebspatienten auch in herausfordernden Zeiten – wie der COVID-19-Pandemie – nicht aus dem Blickfeld geraten. Bedauerlicherweise mussten wir feststellen, dass zahlreiche Krebsoperationen und -behandlungen sowie auch andere für Krebspatienten versorgungsrelevante Maßnahmen während der Pandemie verschoben wurden. Wir gehen davon aus, dass dies medizinisch vertretbar war. Dennoch hat uns das große Sorgen bereitet, denn jeden Tag erkranken 1.400 Menschen in unserem Land neu an Krebs. Ähnliches darf sich nicht wiederholen. Hierfür werden wir uns mit unseren Partnern, dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Deutschen Krebsgesellschaft, bedingungslos einsetzen. Krebspatienten haben ein Recht auf eine zeitnahe und adäquate Versorgung.

Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, die Krebsforschung und -medizin auf allen Gebieten weiter voranzubringen zum Wohle der Patienten. Mein großer Wunsch ist es aber auch, dass die Krebsprävention in unserem Land einen ganz hohen Stellenwert erhält, da hier nicht gehobene Potenziale liegen. Die ersten Weichen dafür haben wir gestellt. Die Entwicklungen in der letzten Zeit machen mir Hoffnung, dass meine Wünsche in Erfüllung gehen. Starke Bündnisse mit unseren Partnerorganisationen, dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebsgesellschaft, aber auch die enge Kooperation mit den politischen Krebsinitiativen sind hierfür eine gute Grundlage.

Und natürlich hoffe ich sehr, dass unsere Spender uns weiterhin die Treue halten, damit wir in der Krebsbekämpfung auch in Zukunft wichtige Akzente setzen können. Und schließlich wünsche ich mir, dass wir gerade in den akuten Wochen der Pandemie deutlich machen konnten, dass sich Krebspatienten in unserem Land auf die Deutsche Krebshilfe verlassen können. Auch in Krisenzeiten sind wir ein verlässlicher Partner für Patienten und ihre Familien.

Weitere Informationen zum Geschäftsjahr 2019 finden Sie in unserem aktuellen Geschäftsbericht.

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