Dirk und Yvonne eint eine traurige Gemeinsamkeit: Sie haben Krebs, verursacht durch humane Papillomviren (HPV). Heute machen sich beide für die HPV-Impfung stark.
HPV hat viele Gesichter
Es ist ein bewölkter, aber warmer Tag im August 2021. Yvonne trägt ein sommerliches, langes Kleid, das locker im Wind weht. Mit dabei ist ihr Hund Merlin, der so kuschelig aussieht wie ein Teddybär. Er bringt sie zum Lächeln und nimmt ihr etwas von ihrer Anspannung.
Denn Yvonne hat sich dazu entschlossen, ihre Geschichte zu erzählen – die Geschichte ihrer Krebserkrankung, ausgelöst durch sogenannte humane Papillomviren (HPV). Für die Wanderausstellung „HPV hat viele Gesichter“, die neben Yvonne fünf weitere Menschen mit HPV-bedingtem Krebs portraitiert, steht heute das Fotoshooting auf dem Programm.
Yvonne unterstützt die Deutsche Krebshilfe, das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Deutsche Krebsgesellschaft dabei, auf die Krankheit und wie sie verhindert werden kann, aufmerksam zu machen.
Denn heutzutage ist nur ein kleiner Pieks nötig, um anderen Menschen das Schicksal von Yvonne zu ersparen.
Diagnose: Krebs durch Viren
Die Krebsdiagnose traf die Verwaltungsangestellte im Alter von gerade einmal 32 Jahren. Anfang 2016 entdeckten die Ärzte einen Tumor am Gebärmutterhals, verursacht durch HPV 16. Dies ist eine besonders gefährliche Virusvariante.
Yvonne musste sich plötzlich entscheiden: Zwischen der vollständigen Entfernung ihrer Gebärmutter und der Möglichkeit, noch ein zweites Kind zu bekommen. „Letztlich brachte mich mein damals 13-jähriger Sohn dazu, mich für die sichere Variante zu entscheiden. Er fragte mich: Was will ich mit einem Geschwisterchen, wenn ich dann keine Mama mehr habe?“, erinnert sie sich.
„Diese Impfung kann einfach so viel Leid ersparen.“
Auch Männer kann es treffen
Ortswechsel: In Köln erkrankt auch Motorradpolizist Dirk im Jahr 2015 an einem durch HPV 16 verursachten Tumor. „Ich hatte zuvor noch nie etwas von HPV und den Gefahren, die von diesen Viren ausgehen, gehört“, berichtet Dirk.
Doch die Erreger sind weit verbreitet. Die meisten Menschen infizieren sich mindestens einmal im Leben mit den Viren. Sie werden vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen. Eine Infektion verläuft in der Regel unbemerkt und harmlos. Aber manchmal verändern sich die infizierten Zellen so, dass daraus viele Jahre später Krebs entstehen kann.
HPV können nicht nur in der Gebärmutter einen Tumor entstehen lassen, sondern auch im Anal- und Genitalbereich oder im Mund-Rachen-Raum. Bei Dirk hatte der Krebs den Zungengrund befallen.
HPV: Das Leben ist nicht mehr wie vorher
Seine langen Narben am Hals zeugen von insgesamt drei Operationen, bei denen Halslymphknoten, der Primärtumor am Zungengrund und ein Stück der Zunge entfernt wurden. Danach folgte eine achtwöchige Chemo- und Strahlentherapie. „Seither leide ich unter Mundtrockenheit und habe eine dauerhafte Schluckstörung. Essen ist für mich eine ständige Herausforderung und hat nur noch sehr wenig mit Genuss zu tun“, erzählt er.
Nach der Therapie war Dirk körperlich und seelisch sehr angeschlagen. Lange konnte er seinen Kopf weder nach links noch nach rechts drehen – eine wichtige Voraussetzung für das Motorradfahren.
Aber Dirk gab nicht auf und kämpfte sich mit viel Disziplin zurück in den Polizeidienst. „Tag für Tag trainierte ich im Fitnessstudio, arbeitete in den Schmerz hinein und schaffte es schließlich doch, meinen Kopf wieder zu drehen.“
Bei Yvonne kam der Krebs zurück
Bei Yvonne kam der Krebs nach anfänglich guter Prognose bereits im Februar 2018 in Form von Knochenmetastasen zurück. Ihre Stimme wird brüchig und sie muss schlucken, wenn sie daran zurückdenkt. „Die Hoffnung, dass alles gut werden würde, war zerstört.“
Es folgten Chemotherapien und insgesamt 25 Bestrahlungen. „Die Ärzte sprachen von einer palliativen Therapie. Mit dem Begriff konnte ich damals nichts anfangen. Aber es bedeutet, dass mein Krebs nicht heilbar ist.“ Yvonne bekommt seither eine Erhaltungstherapie, um ihren Zustand so lange wie möglich stabil zu halten.
„Wenn ich damit nur einen Menschen zur Impfung bewegen kann, hat sich die Arbeit gelohnt.“
HPV-Impfung schützt vor Krebs
Yvonne und Dirk sind zwei von 7.700 Menschen, die allein in Deutschland jedes Jahr an HPV-bedingtem Krebs erkranken. Das gemeinsame Schicksal hat die beiden zusammengeführt: Sie erzählen ihre Geschichten, um über die HPV-Impfung aufzuklären, die es seit 2006 gibt und bis heute nur wenig in Anspruch genommen wird.
„Ich habe unglaubliches Leid erfahren und fürchterliche Ängste durchgestanden“, sagt Dirk. Heute engagiert er sich mit viel Herzblut in der Krebs-Selbsthilfe und als Onkolotse.
Als er von der Fotoausstellung erfuhr, war er sofort bereit, sich portraitieren zu lassen. „Wenn ich damit nur einen Menschen zur Impfung bewegen kann, hat sich die Arbeit gelohnt.“ Yvonne beklagt die große Unkenntnis zur HPV-Impfung, sowohl bei Jugendlichen als auch bei Eltern. „Ich habe das Gefühl, dass die Impfung ein Tabuthema ist. Dabei haben junge Leute heute das Glück, sich vor Krebs schützen zu können. Die HPV-Impfung kann einfach so viel Leid ersparen.“
Fotoausstellung „HPV hat viele Gesichter“
Am 13. September 2021, zum Start der Nationalen Krebspräventionswoche, wird die Fotoausstellung „HPV hat viele Gesichter“ schließlich im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg eröffnet. Erstmals sehen auch Dirk und Yvonne das Resultat.
Vor allem für Yvonne ist das ein sehr emotionaler Moment: „Mir sind die Tränen gekommen und ich musste erst einmal tief durchatmen. Denn mir ist bewusst geworden, warum ich bei dem Projekt mitmache – nämlich, weil ich unheilbar krank bin.“
Gleichzeitig freut sie sich, ein Teil der Ausstellung sein zu dürfen – ihr Wunsch für die Zukunft: „Krebsarten, die durch HPV verursacht werden, soll es zukünftig nicht mehr geben“, sagt sie.
Dies ist auch die Vision der Deutschen Krebshilfe. Sie betreibt umfassende Informations- und Aufklärungsarbeit zur HPV-Impfung und zu weiteren Möglichkeiten, wie jeder einzelne sein Krebsrisiko senken kann.