Punktgenaue Bestrahlung bei Lungenkrebs


Lungenkrebs bestrahlen_Deutsche Krebshilfe

Moderne bildgebende Verfahren helfen dabei, präzise zu bestimmen, wo genau ein Tumor sitzt. So können etwa Lungenkrebspatienten punktgenau bestrahlt werden, wie eine von der Deutschen Krebshilfe geförderte Studie zeigt.

Die Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach sehen von Weitem eher unscheinbar aus. Hier ragt kein Bettenturm aus der Landschaft, kein gläsernes Eingangsportal erwartet die Besucher – das Krankenhaus besteht aus vielen einzelnen Gebäuden, die durch zahlreiche Gänge miteinander verbunden sind.

Bestrahlung bei Lungenkrebs: Hochpräzise Geräte

Punktgenaue Bestrahlung bei Lungenkrebs_Prof. Dr. Neste

Die Klinik für Strahlentherapie befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang. Das Herzstück dieser Abteilung liegt im Untergeschoss. Hier thronen drei wuchtige Maschinen, die ein bisschen aussehen wie gigantische Telefonhörer – hochpräzise Bestrahlungsgeräte, im Fachjargon Linearbeschleuniger genannt.

Jedes dieser Hightech-Geräte besetzt einen eigenen Behandlungsraum. Ein langer Flur führt die Patienten und das medizinische Personal zu den Räumen. Trotz seiner Lage im Untergeschoss ist er durch eine verglaste Decke lichtdurchflutet und freundlich.

Vor jedem der Bestrahlungsräume befindet sich eine Art „Kontrollbox“: Ein Tresen, dahinter Patientenakten und Monitore. Von hier aus steuert das Fachpersonal die Bestrahlungen – bis zu 180 Patienten werden hier pro Tag behandelt. „Etwa 25 davon haben Lungenkrebs“, schätzt die Chefärztin Professorin Dr. Ursula Nestle.

„Und bei rund 20 von ihnen befindet sich der Tumor bereits in einem fortgeschrittenen Stadium.“ Die meisten dieser Patienten erhalten eine Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie – kurz Radiochemotherapie.

Bestrahlung ist Millimeterarbeit

Die medizinisch-technische Assistentin Frau Laurs bereitet gerade einen Lungenkrebspatienten für die Therapiesitzung vor. Dafür muss er den Oberkörper freimachen und seinen Platz auf einer schmalen Liege einnehmen. Die Beine über eine Schaumstoffrolle, die Arme angewinkelt über den Kopf, darf er sich nicht mehr bewegen.

Frau Laurs schließt die Tür von außen und geht in ihre Steuerzentrale. Sie richtet die Liege nun genau so aus, dass der Linearbeschleuniger direkt auf den Tumor in der Lunge zielt. Hierbei handelt es sich um Präzisionsarbeit: „Die kleinste Ungenauigkeit hätte schwere Folgen für den Patienten, weil die Strahlen den Tumor dann nicht mehr richtig treffen“, erklärt Nestle.

Auch die Strahlenintensität wird in der Kontrollbox gesteuert. Nun geht alles ganz schnell: Das Gerät dreht sich einmal um den Patienten und feuert seine Strahlen ab – nach wenigen Minuten ist die Behandlung, zumindest für heute, abgeschlossen.

Bestrahlung bei Lungenkrebs_Millimeterarbeit_Jan Tepass

Kurze Bestrahlung – aufwändige Planung

So schnell die eigentliche Bestrahlung abläuft, so aufwändig ist die Planung im Vorfeld der Therapie. Das Ärzteteam muss viele Fragen klären: Wo genau liegt der Tumor? Welcher Bereich muss bestrahlt werden? Und welche Strahlendosis ist die richtige?

„Mit den bildgebenden Untersuchungen, die uns heute zur Verfügung stehen, können wir in unsere Patienten hineinschauen und genau sehen, wo sich der Tumor befindet“, erklärt Nestle. „Basierend auf den Bildern planen wir dann Volumen und Dosis der Bestrahlung, wobei wir immer einen Sicherheitsbereich einrechnen. Um jede Krebszelle zu treffen, müssen wir in Kauf nehmen, dass wir auch etwas vom gesunden Gewebe schädigen.“

Die PET-Methode

Zu den bildgebenden Untersuchungen in der Radiologie zählt seit den 1970er Jahren die Computertomographie (CT). Hierbei erstellt eine Software ein Bild aus einer Vielzahl verschiedener Röntgenaufnahmen. Seit einigen Jahren nutzen Ärzte zudem eine weitere Methode: die sogenannte Positronen-Emissions-Tomographie, kurz PET.

„Die Bestrahlung ist eine sehr wirksame Behandlungsmethode.“

Radioaktive Strahlung

„Die Kollegen von der Klinik für Nuklearmedizin injizieren den Patienten dafür radioaktiv markierte Glukose. Diese verteilt sich im gesamten Körper und reichert sich im Tumorgewebe an. Das dauert eine Weile, in der die Patienten ruhig liegen müssen.“

Ob die radioaktive Strahlung nicht gefährlich ist? „Nein“, beruhigt Nestle. „Der Patient fängt zwar tatsächlich ein bisschen an zu ‚strahlen‘, aber die radioaktive Glukose baut sich schnell wieder ab. Die Belastung ist nicht höher als bei einer Computertomographie.“ Das Ergebnis der PET-Untersuchung: Bilder, auf denen die Tumoren förmlich leuchten und besser erkennbar sind als bei der CT.

Neuer Standard für die Bestrahlung bei Lungenkrebs

Lungenkrebs Bestrahlung_Deutsche Krebshilfe_Forschung

Obwohl die Kombination von CT und PET schon von vielen Ärzten angewendet wird, um die Bestrahlung bei Lungenkrebs zu planen, wurde der tatsächliche Nutzen dieser Verfahrensweise bisher nicht untersucht. „Außerdem hat jede Klinik ihr eigenes Verfahren entwickelt – einen Standard für die Bestrahlungsplanung gab es bislang nicht.“

„Dank der Förderung durch die Deutsche Krebshilfe haben wir nun einen neuen Standard für die Bestrahlung von Lungenkrebspatienten etabliert.“

Bestrahlung bei Lungenkrebs: Gesundes Gewebe schonen

Das hat sich nun geändert. Zusammen mit Kollegen aus ganz Deutschland sowie aus Österreich und der Schweiz hat Nestle eine von der Deutschen Krebshilfe mit 1,1 Millionen Euro geförderte klinische Studie durchgeführt: Die Hälfte der Patienten wurde basierend auf den CT-Aufnahmen bestrahlt – mit einem relativ großen Sicherheitsbereich, der auch Lymphknoten einschloss, die lediglich als „tumorverdächtig“ eingestuft wurden.

Bei dem anderen Teil ihrer Patienten haben sich die Ärzte alleine auf die Resultate der PET verlassen und nur die leuchtenden, vom Tumor befallenen Stellen bestrahlt. Auf diese Areale konnten die Ärzte dafür höhere Strahlendosen abfeuern.

Das Ergebnis

Das Ergebnis: Die „PET-Methode“ ist nicht nur genauso wirksam wie das konventionelle Verfahren. Insgesamt konnte bei mehr Patienten verhindert werden, dass der Tumor an der ursprünglichen Stelle wiederkommt. Die Nebenwirkungen waren in beiden Patientengruppen vergleichbar.

Lungenkrebs bestrahlen_Professorin Nestle_Foto: Jan Tepass

„Die Studie gibt uns die Gewissheit, dass wir uns auf die Bestrahlung der in der PET nachgewiesenen Tumorregionen konzentrieren können und wir weniger gesundes Gewebe bestrahlen müssen. Insbesondere schonen wir nicht befallene Lymphknoten und damit auch das Immunsystem. Möglicherweise wirkt sich das positiv auf die Immuntherapie aus, die viele Lungenkrebspatienten bereits heute ergänzend zur Radiochemotherapie erhalten.“ Dies müsse aber noch genauer erforscht werden.

Die Deutsche Krebshilfe hat die klinische Studie mit 1,1 Millionen Euro gefördert.

Die Vision

Die Vision von Professorin Nestle: die Strahlentherapie auch bei anderen Tumoren effizienter zu gestalten.
Zurück im Untergeschoss der Klinik für Strahlentherapie: Es ist inzwischen 15 Uhr und Frau Laurs macht für heute Feierabend. Ihre Kollegen arbeiten bis spät am Abend weiter. Bis um 23 Uhr der letzte Patient bestrahlt sein wird.

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