Tessas Kampf gegen den Krebs


Tessas Kampf gegen den Krebs

Tessa ist erst sieben Jahre alt, als sie an Lymphknotenkrebs erkrankt. Die „Monsterkacke“, wie sie ihren Tumor nennt, stellt das Leben der ganzen Familie auf den Kopf. Doch mit professioneller Unterstützung finden Tessa, ihre Schwester und Eltern einen Weg zurück in die Normalität.

Die ersten Symptome: ein Erkältungsinfekt?

„Mama, mir ist so warm.“ Als die siebenjährige Tessa am frühen Nikolausabend im Jahr 2019 mit heißem Kopf vor ihrer Mutter steht, denkt Edith Schäffling an nichts Schlimmes.

Vermutlich nur ein Erkältungsinfekt – keine Seltenheit bei Kindern in dem Alter. Sie gibt Tessa Fiebersaft, auf den das Kind jedoch mit einem großflächigen Hautausschlag reagiert.

Alarmiert fährt Edith mit ihr in die Notfallpraxis des örtlichen Krankenhauses. Dort vermutet der Arzt eine allergische Reaktion auf das Medikament und verordnet stattdessen einen anderen Fiebersenker. Eine Cortisonspritze sowie ein zusätzliches Antiallergikum lassen die Hautrötungen rasch zurückgehen. Beruhigt fahren Mutter und Tochter nach Hause.

Am nächsten Tag steigt Tessas Temperatur trotz regelmäßiger Gabe des Fiebermittels auf fast 41 Grad. Es ist Samstag, daher fährt Edith erneut mit ihrer Tochter in die Notfallambulanz. „Der Arzt sagte mir, dass wir Tessas Körper behutsam in der Badewanne und mit Wadenwickeln herunterkühlen sollen, und schickte uns dann nach Hause“, erinnert sich die 46-Jährige.

Tessa beim Spielen

Das Ende der Normalität

Edith und ihr Mann Michael verbringen eine schlaflose Nacht an der Seite ihrer Tochter. Sie baden Tessa, legen sie in kühlende Wickel und trösten das Kind, das zunehmend teilnahmsloser wird. Auch der Sonntag bringt keine Besserung: Das Mädchen hat nach wie vor hohes Fieber, liegt nur noch im Bett ihrer Eltern, isst nichts und trinkt kaum. Als Tessa ihre Mutter auf eine schmerzende Stelle in der Leiste hinweist, ertastet Edith eine seltsame, stäbchenförmige Verdickung. Ein Anruf bei einem befreundeten Arzt beruhigt die Eltern, vergrößerte oder entzündete Lymphknoten seien bei so hohem Fieber völlig normal.

Doch Tessas Zustand verschlechtert sich auch in dieser Nacht, und am Montagmorgen ist sie völlig apathisch. Sofort fährt die Familie zu Tessas Kinderarzt. Der Mediziner untersucht das Mädchen, tastet die Verhärtung in der Leiste ab und macht einen Ultraschall des Gewebes. „Als er uns eröffnete, dass der Lymphknoten auffällig aussieht und wir sofort in das nächstgrößere Klinikum nach Kaiserslautern fahren sollen, ist mir erstmal schlecht geworden“, sagt Edith.

Operation in der Klinik

Tessa mit Teddybaer Steffi

In Kaiserslautern angekommen, wird die Siebenjährige sofort operiert. Die Verdickung, ein entzündeter Lymphknoten, wird entfernt und zur Klärung ins Labor geschickt. Tessa wird für ein paar Tage stationär aufgenommen, um sich vom hohen Fieber und dem chirurgischen Eingriff zu erholen.

Eine Woche vor Heiligabend erfahren die Eltern vom Kinderarzt das Ergebnis des pathologischen Befunds: Der Knoten war ein bösartiger Tumor.

Tessa hat Krebs – welchen, ist noch unklar

Ihre Tochter hat Krebs – welchen, ist noch unklar. „Mein erster Gedanke war: Jetzt verliere ich mein Kind“, erinnert sich Edith. Der Kinderarzt vereinbart für den nächsten Tag einen Termin in der Kinderonkologie am Universitätsklinikum des Saarlands in Homburg. Um die genaue Krebsart zu bestimmen, veranlasst das Ärzteteam weitere Blutuntersuchungen, Ultraschall– und MRT-Aufnahmen, bevor Anfang Januar feststeht: Es ist Lymphknotenkrebs. Die Vorbereitungen auf die Therapie starten umgehend.

„Mein erster Gedanke war: jetzt verliere ich mein Kind.“

Tessas Kampf gegen den Krebs

Als Mitte Januar der erste von zwei Chemotherapiezyklen beginnt, weicht Edith nicht von der Seite ihrer Tochter. Tessa fühlt sich  verhältnismäßig gut und ist sicher, dass sie den Kampf gegen den Krebs, die „Monsterkacke“, wie sie ihren Krebs nennt, gewinnen wird.

Die Familie verbringt gemeinsam Zeit

In den fünf Tagen ihres Krankenhausaufenthalts verbringt das Mädchen ihre behandlungsfreie Zeit mit den anderen Kindern im Spielzimmer der kinderonkologischen Station.

Sie lacht über die Klinikclowns und entspannt bei der Musiktherapie – alles Angebote, die die Elterninitiative krebskranker Kinder im Saarland (EKKI) ermöglicht, um die kleinen Patienten während der anstrengenden Therapie aufzumuntern.

„Meine Tochter war während der gesamten Zeit unglaublich tapfer“, erinnert sich Edith. Als Tessa in Folge der Chemotherapie die langen Haare ausfallen, greift das Mädchen zum Kurzhaarschneider. „Sie hat gesehen, dass ich es nicht über das Herz bringe – und hat sich dann selbst den Kopf rasiert.“

Tessas zweiter Chemozyklus

Vier Wochen später startet Tessas zweiter Chemozyklus. Aufgrund der saarländischen Winterferien kann ihre große Schwester Laura sie diesmal endlich auch aus nächster Nähe unterstützen. Gemeinsam mit dem Vater zieht die Dreizehnjährige in den Eltern- und Geschwisterwohnbereich der EKKI, in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus. Hier haben sie nicht nur einen kurzen Weg zur Kinderonkologischen Station.

Tessa mit Schwester Laura

Die Räumlichkeiten bieten der Familie Schäffling auch die Möglichkeit, sich vom stressigen Klinikalltag zurückzuziehen, mit den anderen Familien Erfahrungen auszutauschen und Halt zu finden.

„Die Zeit, die wir mit Tessa verbringen konnten, und auch der Austausch mit anderen Eltern und Geschwisterkindern war für uns alle unglaublich wichtig“, sagt Michael Schäffling.

Um noch mehr Familien zu ermöglichen, die Therapiezeit bei ihren kranken Kindern zu verbringen, finanziert die Deutsche Krebshilfe mit 500.000 Euro den Bau vom neuen „Haus des Kindes und der Jugend“ der Elterninitiative.

Nach den Behandlungen: Tessa freut sich auf die Schule

Tessa

Nachdem die stationären Behandlungen mit der zweiten Chemotherapie abgeschlossen sind, muss das Mädchen in kurzen Abständen zur ambulanten Kontrolle ins Krankenhaus. Tessa freut sich darauf, bald wieder die Schule zu besuchen und ihre Freundinnen und Freunde zu sehen.

Doch als sich ihr Immunsystem von der Behandlung erholt hat und die Ärzte grünes Licht geben, schließen die Schulen aufgrund der Corona-Pandemie. Die Siebenjährige ist traurig: „Jetzt war ich so lange krank und kann meine Mitschüler nun doch nicht in den Arm nehmen.“

Tessa macht das Beste aus der Situation und lernt mit der tatkräftigen Unterstützung ihrer Lehrerinnen und Lehrer zu Hause. Sie ist überglücklich, als Mitte Juni die Schulen endlich wieder öffnen.

Der Weg zurück in den Alltag

Heute geht Tessa in die zweite Klasse, hat im Oktober ihren achten Geburtstag gefeiert und trifft sich oft mit ihren Freundinnen. Doch die Krankheit hat bei der ganzen Familie Spuren hinterlassen. Nicht nur Tessa ist sensibler geworden, auch den Eltern und Schwester Laura fällt es schwer, das Erlebte zu verarbeiten. Zu tief sitzen die Sorgen und Ängste, die der Krebs ausgelöst hat.

Eine Familienkur hilft

„Als wir feststellten, dass uns diese Gefühle erdrücken, haben wir psychotherapeutische Unterstützung gesucht“, sagt Michael. „Und wir waren alle begeistert, als wir die Möglichkeit bekommen haben, eine vierwöchige Familienkur zu machen.“ Seit Mitte November sind die Schäfflings zu Gast in der familienorientierten und mit der Deutschen Krebshilfe eng verbundenen Rehabilitationsklinik Katharinenhöhe im Schwarzwald.

Damit die ganze Familie wieder Kraft schöpfen und sich von der anstrengenden Krankheitszeit erholen kann, arbeiten hier die medizinischen, psychosozialen und pädagogischen Bereiche ganzheitlich eng zusammen. Tessa und Laura besuchen vormittags die Klinikschule, während die Eltern Anwendungen haben und an Gesprächsgruppen teilnehmen. Nachmittags erholt sich die Familie bei gemeinsamen sportlichen Aktivitäten wie Schwimmen, Wandern oder beim Fahrradfahren.

Gemeinsames Lachen tut gut

„Gemeinsam Zeit zu verbringen und wieder unbeschwert Lachen zu können, tut unglaublich gut“, so Michael.

„Wir sind begeistert, was hier für Kinder und Eltern geleistet wird.“

Auch Tessa gefällt die Familienkur. „Uns geht es hier sehr gut“, freut sie sich, „und ich halte mein Versprechen an meine Mama: Ich werde die Monsterkacke besiegen!“

„Gemeinsam Zeit zu verbringen und wieder unbeschwert Lachen zu können, tut unglaublich gut.“

Rehabilitationskliniken – Die ganze Familie im Blick

Wenn die schwere Zeit der Akutbehandlung überstanden ist, müssen viele der jungen Patienten und ihre Familien Ängste und traumatisierende Erfahrungen verarbeiten sowie die körperlichen Folgen der Krankheit überwinden. In Rehabilitationskliniken wie der Katharinenhöhe im Schwarzwald können sie neue Kraft schöpfen.

Zahlreiche Freizeitaktivitäten in der Sporthalle, im Schwimmbad und auf dem Außengelände helfen neben den therapeutischen Angeboten dabei, das Leben wieder unbeschwert zu genießen.

Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das Konzept der familienorientierten Nachsorge und fördert die „Katharinenhöhe“ bei notwendigen Aus- und Umbaumaßnahmen schon seit mehr als 30 Jahren.

Ein Zuhause auf Zeit – gefördert von der Deutschen Krebshilfe

Erkrankt ein Kind an Krebs, beginnt für die ganze Familie eine beschwerliche Zeit. Die jungen Patienten müssen oft über Monate hinweg sowohl körperlich als auch seelisch sehr belastende Behandlungen überstehen. Die Nähe der erkrankten Kinder und Jugendlichen zu ihren Eltern und Geschwistern ist von unschätzbarem Wert – insbesondere für den Therapieerfolg.

Der bisherige Eltern- und Geschwisterwohnbereich der Elterninitiative krebskranker Kinder im Saarland in Homburg/Saar kann jedoch der Nachfrage und den heutigen Anforderungen nicht mehr standhalten. Deshalb fördert die Deutsche Krebshilfe mit 500.000 Euro den Bau des „Haus des Kindes und der Jugend“ der Elterninitiative.

Das neue Familienhaus ist genau auf die Wünsche und Bedürfnisse der Familien zugeschnitten und bietet ihnen eine ganzheitliche Betreuung. Zukünftig werden hier Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern und Geschwistern in großen Wohn- und Essbereichen zusammen sein können.

Es wird Räume zum Spielen und Basteln sowie ein separates Jugendzimmer mit Internetanschluss geben, aber auch Orte zum Entspannen, Reden und Abschalten. Ehemalige Patienten, Eltern, Ärzte und Pfleger haben das Haus mitgeplant. Im Herbst 2021 soll es bezugsfertig sein.

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