2008 erhält Bärbel Söhlke die Diagnose Lungenkrebs. Die Mathematikerin fühlt sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Denn die Krankheit ist bereits weit fortgeschritten. Wie ein neues Medikament und die bahnbrechende Initiative zweier Kölner Mediziner ihr nun bereits 13 Lebensjahre schenken, schildert sie in ihrem Lungenkrebs Erfahrungsbericht
Noch elf Monate?
„Im Jahr 2008 wurde bei mir ein weit fortgeschrittener nicht-kleinzelliger Lungenkrebs festgestellt. Ich war 50 Jahre alt, stand voll im Beruf und hatte nie geraucht. Mir wurde prognostiziert, dass ich noch 11 Monate zu leben hätte. Nach drei Chemotherapien und einer eher verzweifelten Operation galt ich als austherapiert. Der Krebs war so immerhin verkleinert worden und ich hatte etwas Zeit gewonnen. Damals konnten die Ärzte nichts mehr für mich tun, das sollte sich zum Glück ändern.“
Neue Hoffnung
„Im Jahr 2012, also vier Jahre nach meiner Erstdiagnose, schöpfte ich Hoffnung. Ich hörte von einem neuen Behandlungsansatz. Ich wandte mich für eine umfassende Diagnostik an das Centrum für integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik in Köln. Dabei handelt es sich um Gentests am Tumorgewebe, um genetische Veränderungen zu finden, die Ursache für den Krebs sind und das Tumorwachstum begünstigen. Das war damals meine letzte Chance, das hatte ich verstanden.“
Personalisierte Medizin als Chance
„In ganz Europa war ich der erste Fall, bei dem meine spezielle Mutation entdeckt wurde. Ich bin da schlicht drangeblieben – wenn ich das nicht getan hätte und nicht nach Köln gegangen wäre, dann wäre ich lange tot. Zusätzlich gab es glücklicherweise bereits ein vielversprechendes zielgerichtetes Medikament, das erstaunlich gute Resultate in einer frühen Studie mit einigen wenigen Patienten in den USA erzielt hatte. Das Revolutionäre an meiner personalisierten Therapie mit einem zielgerichteten Medikament ist, dass die Tabletten die Tumorzellen zielgerichtet bekämpfen. Während ich während den Chemotherapien unter typischen Nebenwirkungen litt, verbesserte das neue Medikament meine Lebensqualität. 2012 steckte dieser Ansatz noch in den Kinderschuhen, nicht jeder Arzt kannte diese Möglichkeit.“
Wie eine chronische Erkrankung
„Seitdem ich mit dieser gut verträglichen Therapie behandelt werde, war kein einziger stationärer Aufenthalt mehr erforderlich. Bereits nach fünf Tagen ging es mir spürbar besser. In den ersten Wochen verschwanden die Symptome. Ich empfand die Nebenwirkungen als relativ harmlos und nach einigen Wochen hörten sie ganz auf. Mein Tumor ist inzwischen seit mehr als acht Jahren inaktiv, und ich nehme nach wie vor dasselbe Medikament. Ich wäre definitiv Ende 2012 gestorben, wenn die Ärzte mir das nicht in letzter Minute verordnet hätten. Heute gehe ich mit Lungenkrebs um wie mit einer chronischen Erkrankung.“
WARUM ICH MEINEN LUNGENKREBS ERFAHRUNGsbericht TEILE
„Personalisierte Krebstherapien sind ein medizinischer Quantensprung. Deswegen ist es mir auch ein Anliegen, dass möglichst viele Patienten davon erfahren und das nutzen können. Das Nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM), zu dem das CIO Köln gehört, leistet hier wegweisende Arbeit. Mittlerweile haben sich dem nNGM 20 spezialisierte Zentren angeschlossen, die genetische Analysen des Lungengewebes von Krebspatienten durchführen und zielgerichtete Behandlungen empfehlen. Die eigentliche Therapie erfolgt dann durch den betreuenden Arzt am Wohnort. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Großprojekt seit 2018. Das nNGM ist der Grund, warum ich noch am Leben bin und es mir gut geht. Dafür bin ich der Deutschen Krebshilfe dankbar. Heute kann ich ein normales Leben führen, im Jahr 2008 war das für mich unvorstellbar. Das Tempo, in dem die Krebsforschung voranschreitet, ist riesig. Ich möchte meinen Lungenkrebs Erfahrungsbericht teilen, um anderen Betroffenen Mut zu machen, ebenfalls am Ball zu bleiben.“
„Das Tempo, in dem die Krebsforschung voranschreitet ist riesig.“