E-Zigaretten: Wolf im Schafspelz


Risiko E-Zigaretten: Wolf im Schafspelz

Neue elektrische Zigaretten wie Juul drängen auf den deutschen Markt. Experten bewerten die modernen Dampfer als Einstiegsdroge für junge Menschen.

Das Geschäft mit den E-Zigaretten hierzulande boomt. Lagen die Verkaufszahlen noch bei fünf Millionen Euro, stiegen sie bereits auf das Hundertfache an. Dagegen hat sich der Verkauf von herkömmlichen Zigaretten seit dem Jahr halbiert. Die bunte und ansprechende Aufmachung der Dampfprodukte lockt vor allem junge Menschen. Hinzu kommen süße Aromen wie Mango, Kirsche oder Limette. Inzwischen experimentierenm mehr Jugendliche mit E-Zigaretten als mit Tabak-Zigaretten.

E-Zigaretten: Statistik Jugendliche

In Deutschland ist Minderjährigen die Abgabe und der Konsum in der Öffentlichkeit gemäß Jugendschutzgesetz grundsätzlich verboten. Das Verbot gilt auch für den Versandhandel und wurde auf Drängen von Gesundheitsorganisationen wie der Deutschen Krebshilfe eingeführt. Allerdings zeigen Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Auflärung (BZgA) aus dem Jahr, dass rund 13 Prozent der 12 bis 17-Jährigen in ihrem Leben schon einmal E-Zigaretten ausprobiert haben.

Raucherquote bei Jugendlichen

Seit Ende 2008 ist eine neue trendige Variante in deutschen Läden und im Internet erhältlich: Juul. Wegen ihres modernen Designs wird sie als „iPhone“ unter den E-Zigaretten bezeichnet. Sie sieht aus wie ein verlängerter Computer-Stick und kann über den Laptop mit Strom versorgt werden. Zieht man an dem Stick, verdampft Flüssigkeit, die wahlweise nach Mint oder Vanillecreme riecht und schmeckt.

Juul Labs, wie das von zwei College-Studenten 2015 gegründete Startup heißt, ist mittlerweile Marktführer in den USA und wuchs innerhalb von zwei Jahren zu einem 15 Milliarden-Dollar-Unternehmen. Juul kontrolliert bereits Dreiviertel des E-Zigaretten Marktes. Ende 2018 stieg der US-Tabakkonzern Altria mit Marken wie Marlboro und Chesterfield für 11,2 Milliarden Dollar ein.

Mit cool klingenden Geschmacksrichtungen verleitet die Werbung für Juul vor allem Jugendliche. In den USA inhalieren landesweit Schüler den Dampf der aromatisierten E-Zigaretten. Der Konsum ist bereits so populär geworden, dass es sogar ein eigenes Wort dafür gibt: „juulen“. Anders als Tabakprodukte kann die E-Zigarette unbemerkt verwendet werden und ohne die überall verbauten Rauchmelder auszulösen – auf der Schultoilette oder gar im Klassenraum.

Jugendliche experimentieren mehr mit E-Zigaretten

Außergewöhnlich ist in den USA die hohe Menge Nikotin: In einer kleinen Juul-Kartusche ist soviel enthalten wie in einer Schachtel mit 20 Zigaretten. Die stärkste hat knapp 60 Milligramm Nikotin pro Milliliter. Das ist dreimal so hoch wie der Grenzwert in Europa. Auf dem deutschen Markt wird Juul in fünf Geschmacksrichtungen mit einem Nikotingehalt von 20 Milligramm je Milliliter angeboten.

Schaden für die Gesundheit

Im Dampf jeder E-Zigarette, so auch bei Juul, entstehen extrem kleine Partikel, die leicht über die Lunge aufgenommen werden können. Dieser feine Staub kann das Immunsystem der Lunge beeinträchtigen und den Konsumenten anfälliger für Infektionskrankheiten machen.

E-Zigaretten_Grafik

Der regelmäßige Konsum unter Jugendlichen ist derzeit noch relativ gering und es gilt für E-Zigaretten ein Verkaufsverbot. Dennoch sieht das Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V. (ABNR) die Entwicklung hierzulande problematisch und warnt: Jugendliche könnten mit E-Zigaretten in den Nikotinkonsum einsteigen – und später zu Tabakzigaretten greifen. Die im ABNR zusammengeschlossenen Gesundheitsorganisationen – darunter auch die Deutsche Krebshilfe – haben einen umfassenden gesundheitspolitischen Forderungskatalog für E-Zigaretten zusammengestellt. Das Thema war auch ein Schwerpunkt des diesjährigen Weltnichtrauchertages am 31 Mai.

Aktuell liegt die Raucherquote bei Jugendlichen bundesweit auf dem historischen Tiefstand von 7,4 Prozent. Diesen Erfolg der Aufklärungsarbeit in den vergangenen Jahren gilt es vor dem Hintergrund und den Versuchungen der stets neuartigen Nikotin- und Tabakprodukte im Markt nicht zu gefährden.

Professor Dr. Reiner Hanewinkel

Interview: Warum E-Zigaretten ein Risiko für Jugendliche darstellen

Professor Dr. Reiner Hanewinkel, Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, Kiel (IFT-Nord)

Was fasziniert junge Menschen an Juul? Wie schätzen Sie die Entwicklung hierzulande ein? Welcher junge Mensch möchte kein iPhone besitzen?

Das iPhone der E-Zigaretten, Juul, entspricht genau den ästhetischen Idealen der heutigen Jugendlichen, juulen ist in den USA „in“. Während dort rund der Klässler zur E-Zigarette grien, waren es ein Jahr später mit nahezu doppelt so viele. Die Erfahrung zeigt, dass mit einer zeitlichen Verzögerung viele Trends, die in den USA zuerst beobachtet wurden, auch bei uns in Deutschland au reten. Daher müssen wir sehr wachsam sein und den Jugendschutz stärken. Hierzu zählt auch das längst überfällige Werbeverbot für Tabak-Zigaretten, E-Zigaretten, Shisha und Co.

Sind E-Zigaretten eine sogenannte Einstiegsdroge für Jugendliche?

Weit über Studien, darunter auch aus Deutschland, untersuchten, ob der vorherige Konsum von E-Zigaretten einen Risikofaktor in den Einstieg herkömmlicher Zigaretten darstellen kann. Die Untersuchungsergebnisse sind eindeutig: Konsumieren Jugendliche E-Zigaretten, verdoppelt sich das Risiko, später auch zu herkömmlichen Tabak-Zigaretten zu greifen.

Warum sind E-Zigaretten & Co. ein Thema im Rahmen des Schulwettbewerbs „Be Smart – Don’t Start“? Was bewirkt das Programm?

Mit „Be Smart – Don‘t Start“ sollen Schülerinnen und Schüler zeitgemäß über die Gesundheitsgefahren des Rauchens aufgeklärt werden. Dieses Schulprogramm zielt darauf ab, anschaulich zu verdeutlichen, dass Nichtrauchen der smartere, klügere Lebensstil ist. „Be Smart“ versucht immer am Puls der Zeit und den Interessen der Jugendlichen zu sein. Daher wurden die Themen E-Zigaretten und Co. schon frühzeitig in diese Präventionsmaßnahme aufgenommen. Untersuchungen mit mehr als 16.000 Schülerinnen und Schülern belegen, dass bis zu zwei Jahre nach Ende des Schulwettbewerbs eine um etwa fünf Prozentpunkte höhere Nichtraucherquote in den „Be Smart“-Klassen zu beobachten ist. Daher kann „Be Smart – Don’t Start“ als evidenzbasiertes Präventionsprogramm angesehen werden.

Schnelle Hilfe: Rauchen und Krebs

Grundlegende Informationen zum Thema Rauchen und Krebs – finden Sie im Ratgeber „Richtig aufatmen“ der Deutschen Krebshilfe.

vorheriger Beitrag Meine Kinder sind das größte Geschenk
nächster Beitrag Nach dem Krebs: Ich lebe im Jetzt