Rauchfrei-Siegel für ARTE-Doku


Rauchfrei-Siegel für ARTE-Doku

Zum Weltnichtrauchertag verliehen die Deutsche Krebshilfe und das Aktionsbündnis Nichtrauchen das Rauchfrei-Siegel 2021 an den Dokumentarfilm „Nikotin. Droge mit Zukunft“. Im Interview spricht Regisseurin Bärbel Merseburger-Sill über ihren Film.

Was hat Sie dazu veranlasst, diesen Dokumentarfilm zu drehen?

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Rauchfrei-Siegel Gewinnerin Merseburger-Sill

In meinen investigativen Filmen setze ich mich gerne mit großen Industrien auseinander. Ich habe bereits Filme über  die Chemie-, Kosmetik- und die Pharmaindustrie gemacht. Als das Angebot kam, einen Film über die Tabakindustrie zu machen, habe ich gleich zugesagt.

Inwiefern war dieses Thema anders, als die vorhergehenden?

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Rauchfrei-Siegel Gewinnerin Merseburger-Sill

Das Thema „Tabakindustrie“ ist ein Fass ohne Boden! Während der Dreharbeiten gab es ständig aktuelle Meldungen, neue Studien, neue Ereignisse, die potentiell interessant für den Film waren. Ich arbeite immer auch sehr wissenschaftlich, mit der Konsequenz, dass ich mich für meine Filme weitreichend in relevante Studien einlese. Bei der Tabakindustrie musste ich jedoch irgendwann kapitulieren: es gibt so viele Studien, die in so viele Richtungen gehen, die alle zu lesen ist irreal und steht in keinem Verhältnis zu einem 90 Minuten Film!

Also musste ich einen Weg finden, um möglichst effizient die wesentlichen Strukturen dieser Industrie zu verstehen und meine Erkenntnisse entsprechend aufzubereiten. Das ist ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit: Was ich dem Zuschauer mitteile, muss belegbar sein! Denn eines ist sicher: Meine Erkenntnisse gefallen nicht jedem, schon gar keinem Industrie-Lobbyisten.

Welche Erkenntnisse haben Sie durch den Film gewonnen?

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Rauchfrei-Siegel Gewinnerin Merseburger-Sill

Die Tabakindustrie hat ein System erschaffen, das ihr erlaubt, extrem hohe Gewinne auf Kosten der Gesundheit der Menschen zu erzielen. Ihr wesentliches Mittel hierfür ist das Säen von Zweifeln an der Gefährlichkeit ihrer Produkte. Vermeintlich harmlosere, neue Produkte helfen ihr dabei: Ob Light- oder Filter-Zigarette, oder jetzt die elektronischen Varianten – das System ist immer dasselbe. Vollmundige Versprechen und schöne Bilder locken potenzielle Konsumenten an, das Nikotin lässt die Falle zuschnappen. Aber nicht nur Menschen werden manipuliert: auch Testmethoden oder die Produkte selbst, damit sie möglichst süchtig machen. Dann sind da noch die Lügen. Die größte von ihnen ist, die Marketingmaßnahmen der Tabakindustrie zielten nicht auf junge Menschen ab. Natürlich tun sie das! Man braucht sich nur aktuelle Werbekampagnen anzusehen: Wo sind die älteren Raucher, die man mit den elektrischen Geräten angeblich zum Umstieg bewegen will? Nirgendwo! Dabei sind charismatische, ältere Models heute gefragter denn je und sozial akzeptiert.

Was bedeutet Ihnen persönlich die Auszeichnung Ihres Films?

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Rauchfrei-Siegel Gewinnerin Merseburger-Sill

Ich freue mich sehr, dass mir diese besondere Auszeichnung zuteil wird. Menschen weltweit über die Praktiken und Taktiken der Tabakindustrie aufzuklären, ist mir ein Anliegen. Als ich noch ein Kind war, wurde auch in meiner Familie geraucht. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen, mein Großvater war Raucher. Er kam 1927 zur Welt und begann mit dem Rauchen in einer Zeit, in der dieses noch als unbedenklich galt. Ende der 1970er Jahre bekam mein Großvater Stimmbandkrebs. Wenige Jahre später kam der Lungenkrebs. Irgendwann in der Zeit hörte er mit dem Rauchen auf, allerdings war es da schon zu spät: Metastasen hatten sich in seinem Körper verteilt. Mein Großvater war Kunstschlosser von Beruf, von ihm habe ich den Sinn fürs Künstlerische geerbt. Er wäre sehr stolz auf mich, auf die Auszeichnung meines Films, aber auch darauf, dass ich nie geraucht habe. Mein Opa verstarb 1986
mit nur 59 Jahren an Krebs. Ihm widme ich meine Urkunde.

Rauchfrei-Siegel

Die Deutsche Krebshilfe verleiht gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Nichtrauchen e. V. (ABNR) das „Rauchfrei-Siegel“ an Filme, die bewusst auf rauchende Charaktere verzichten und somit Vorbildfunktion haben. Seit 2003 wurde das Siegel bereits 15 Mal verliehen – 2021 erstmals an einen Dokumentarfilm. Eine Übersicht aller bislang ausgezeichneter Filme finden Interessierte hier.

Tabakkonsum ist der größte vermeidbare Krebsrisikofaktor. Die Deutsche Krebshilfe setzt sich daher gemeinsam mit anderen Gesundheitsorganisationen für ein rauchfreies Deutschland bis 2040 ein. „Rauchfrei“ bedeutet in diesem Kontext: weniger als fünf Prozent der Erwachsenen und weniger als zwei Prozent der Jugendlichen konsumieren Tabakprodukte und E-Zigaretten.

Hinweis: Der Film wurde 2020 und 2021 auf ARTE sowie auf ZDFinfo ausgestrahlt und international bislang in etwa zehn Länder verkauft.

Weitere Informationen

Grundlegende Informationen zum Thema Rauchen und Krebs finden Sie hier.

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