Krebsberatungsstelle: Ausweg aus dem freien Fall


Krebsberatungsstelle

Mit seinem Team unterstützt die Krebsberatungsstelle der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz unermüdlich viele Betroffene und ihre Angehörigen nach der Diagnose Krebs.

Ankerplatz für Krebspatienten und Angehörige

Hektisches Treiben herrscht in der Löhrstraße im Herzen von Koblenz. Menschen hasten aneinander vorbei – begleitet vom Dauer-Lärm der nahegelegenen Bundesstraße, den nur das Getöse vorbeifahrender Züge noch übertönt. Haus Nr. 119 ist unscheinbar und wenig einladend. Doch die Türen im dritten Stock führen in eine andere Welt: Farbenfrohe Bilder mit Herzmotiven an den Wänden empfangen den Besucher, angenehme Stille erfüllt die Räume, an der Rezeption telefoniert eine Frau mit leiser, warmer Stimme. „Ich sehe uns als Ankerplatz für Krebspatienten und Angehörige, deren Welt durch die Diagnose aus den Fugen geraten ist“, sagt Gerti Kunz, Leiterin des Krebsberatungszentrums. Seit 33 Jahren arbeitet die Diplom-Pädagogin und Psychoonkologin dort, hat das breite Angebot mit aufgebaut.

Krebsberatung ist vielfältig

Jeden Tag suchen hier im Schnitt 20 bis 25 Menschen nach Rat und Hilfe – in Zeiten von Corona vorwiegend telefonisch oder auch online. Fünf Beraterinnen in Teilzeit und zwei Assistentinnen am Empfang stemmen die große Nachfrage. Jede Beraterin hat dafür ihren eigenen Raum.

So überrascht einer durch afrikanisches Flair, ein anderer erinnert an den Wohnzimmercharme der 1970er Jahre und der dritte an den Einrichtungsstil eines schwedischen Möbelhauses. So unterschiedlich wie ihre „Klienten“ sind auch die Beraterinnen – das ist wichtig, denn die Chemie muss stimmen.

Hinweis: In psychosozialen Krebsberatungsstellen erhalten Betroffene und ihre Angehörigen kostenlos Rat und Hilfe. Seit 2007 hat die Deutsche Krebshilfe ein Programm zur Förderung von psychosozialen Krebsberatungsstellen eingerichtet und damit die psychoonkologische/psychosoziale Versorgung der Betroffenen im ambulanten Bereich verbessert. Darüber hinaus hat sie sich intensiv für eine Regelfinanzierung dieser wichtigen Versorgungsstrukturen eingesetzt – mit Erfolg: Seit 2021 werden 80 Prozent der in der ambulanten psychosozialen Krebsberatung entstehenden Kosten von den Krankenversicherungen übernommen.

In der Krebsberatungsstelle

Breites Spektrum an Themen

„Die Themen umfassen alles, was das Leben so hergibt“, sagt Kunz. Denn jeder Ratsuchende bringt seinen ganz persönlichen Hintergrund mit. Genau das mache ihre Arbeit in der Krebsberatungsstelle so interessant. Die Fragen reichen dabei von „Welches Krankenhaus ist für die Behandlung geeignet?“, „Welche finanzielle Unterstützung gibt es?“, „Wie verhalte ich mich meinem Partner gegenüber?“ bis hin zu der Angst vor Leiden und dem Tod. Junge Familien brauchen oft Hilfe, wie sie mit ihren Kindern über die Erkrankung und die bevorstehenden Veränderungen sprechen können.

„Die Themen umfassen alles, was das Leben so hergibt“

Bei speziellen medizinischen Fragen verweisen die Beraterinnen an die Ärzte ihres medizinischen Beirates. „Nach der Diagnose sind viele im freien Fall, da sind wir das Netz, das sie auffängt“, sagt Kollegin Christina Ehricht, die seit elf Jahren für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. „Einen Königsweg gibt es dabei nicht.“ Denn nicht nur der Krebs habe viele Gesichter, auch die Menschen mit ihren eigenen Lebenswegen. „Viele sehen wir hier nur einmal, weil sie lediglich weiterführende Informationen brauchen oder weil ihnen bereits wenige Anstöße ausreichen, um sich selbst weiterhelfen zu können“, erklärt Kunz.

Krebsberatungsstelle

Krebsberatungsstelle schließt Lücke

„Manche fühlen sich hier schon fast wie zuhause, weil wir sie eine längere Zeit begleiten“, schmunzelt die 62-Jährige. „So gibt es etwa Patienten, die auf eine psychologische Behandlung warten und die Zeit mithilfe unserer Unterstützung überbrücken können.“ Oder solche, die schlicht mehr Hilfe brauchen, weil sie ihnen im privaten Umfeld fehlt. „Ich habe in all den Jahren mehrere tausend Menschen beraten und es ist immer wieder anders“, so Kunz.

„Ich habe in all den Jahren mehrere tausend Menschen beraten und es ist immer wieder anders“

Die ambulante Krebsberatung schließe eine entscheidende Lücke. „Wenn die Patienten in stationärer Therapie sind, sind sie medizinisch und psychoonkologisch engmaschig betreut. Danach aber fallen viele in ein Loch und sind nicht selten sich selbst überlassen“, sagt die 50-jährige ChristinaEhricht. „Immer häufiger kommen zudem sogenannte Long-term Survivors Menschen, die ihre Krebserkrankung schon lange hinter sich gelassen haben, aber nach wie vor an gesundheitlichen Folgeproblemen leiden. Für die fühlt sich oft keiner zuständig.“

Noch mehr Menschen erreichen

Kreativ in der Krebsberatungsstelle

Daher hat das Team der Krebsberatungsstelle sein Beratungsangebot ausgeweitet, um noch mehr Menschen zu erreichen. So fahren die Beraterinnen regelmäßig in umliegende Ortschaften und bieten ihre Unterstützung in Gemeindezentren oder Arztpraxen an. Ein personeller Kraftakt, bestätigt Kunz. „Aber wir lernen jeden Tag so viele faszinierende Menschen kennen, die schwer krank sind und dennoch so viel Kraft haben und uns mit so viel Herzlichkeit begegnen. Das hilft uns, weiterzumachen.“

Interview: Die Krebsberatungsstelle als Anlaufpunkt in jeder Krankheitsphase

Gerd Nettekoven ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe.

Warum sind Krebsberatungsstellen so wichtig?

„Krebs ist nicht nur eine Erkrankung des Körpers, sondern auch der Seele. Ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen sind Anlaufstellen für Krebspatienten und deren Angehörige in allen Krankheitsphasen, während und nach der onkologischen Behandlung, bis zum Lebensende. Sie leisten hilfreiche Arbeit für viele Betroffene und stellen unverzichtbare Strukturen in unserem Gesundheits- und Sozialsystem dar.“

Welche Aufgaben hat eine Krebsberatungsstelle?

„Krebsberatungsstellen geben Patienten und Angehörigen psychosoziale Hilfestellung bei Problemen, die im Zusammenhang mit der Erkrankung auftreten. Das sind einerseits sozialrechtliche Anliegen, andererseits psychische Belastungen bis hin zur Depression oder Angststörungen. Das Leistungsprofil der Krebsberatungsstellen umfasst also ein breites Spektrum ausgerichtet auf den jeweiligen Bedarf an Hilfe. Das Angebot ist niederschwellig mit kurzen Wartezeiten, möglichst mit Wohnortnähe und Erreichbarkeit sowie klientenorientierten Öffnungszeiten. Die Leistungen sind für Tumorpatienten in der Regel unentgeltlich.“

Warum steigt der Bedarf an solchen Beratungsangeboten?

„Während sich die psychoonkologische und die psychosoziale Versorgung im stationären Bereich in den vergangenen Jahren konstant verbessert hat, bestehen für die ambulante Versorgung von Krebspatienten weiterhin erhebliche Defizite. Dies ist umso gravierender, weil sich der Bedarf an psychosozialer Betreuung in den ambulanten Bereich verlagert. Die Gründe hierfür sind etwa kürzere Verweildauern in Kliniken oder komplexe Therapiestrategien mit einer zunehmenden Verlagerung auf den teilstationären beziehungsweise ambulanten Sektor. Hinzu kommen vermehrt kurz- und langfristige Neben- und Folgewirkungen der Therapie sowie längere Überlebensraten für viele Tumorpatienten. All das führt zu einem deutlich erhöhten Bedarf an ambulanten psychosozialen Beratungs- und Behandlungsangeboten.“

Wie finanzieren sich die Krebsberatungsstellen?

„Mit einem umfangreichen und strategisch ausgerichteten Förderprogramm hat die Deutsche Krebshilfe über viele Jahre zahlreiche Beratungsstellen gefördert und somit die ambulante psychoonkologische Versorgung Betroffener erheblich verbessert. Die Angebote der Beratungsstellen gehörten jedoch nicht zum Leistungsumfang der Kranken- und Sozialversicherungsträger. Während unserer Förderung haben wir daher unser Bestreben, für Krebsberatungsstellen eine Regelfinanzierung zu erreichen, in die gesundheitspolitischen Diskussionen im Rahmen des „Nationalen Krebsplans“ des Bundesministeriums für Gesundheit eingebracht. Mit Erfolg: Seit dem vergangenen Jahr übernehmen die Krankenversicherungen 80 Prozent der Kosten für die ambulante psychosoziale Krebsberatung. Ein wichtiger Meilenstein und auch ein Beispiel dafür, wie unser Einsatz mit Hilfe unserer Spender nachhaltig wirkt.“

Benötigen Sie Hilfe?

Eine persönliche, kostenfreie Beratung durch das INFONETZ KREBS erhalten Sie montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr unter der Telefonnummer 0800 / 80 70 88 77 oder per E-Mail: krebshilfe@infonetz-krebs.de.

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