Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg haben Erstaunliches entdeckt: Blutgefäße können das Wachstum von Tumoren nicht nur fördern, sondern auch hemmen. Eine Erkenntnis, die erklärt, warum bestimmte Krebstherapien nicht bei allen Patienten Wirkung zeigen.
Wenn Tumore entstehen, besitzen sie zunächst keine eigenen Blutgefäße. Sie nehmen Sauerstoff und Nährstoffe aus dem umliegenden gesunden Gewebe auf. Ab einer bestimmten Größe reicht dieser Versorgungsweg jedoch für den Tumor nicht mehr aus, um weiter wachsen und Metastasen bilden zu können. Ausgelöst durch Sauerstoffmangel produzieren die Tumorzellen Botenstoffe, die wiederum die Bildung eigener Blutgefäße anregen. Diese Reaktion im Stoffwechsel der Krebszellen macht sich eine häufig angewandte Krebstherapie zunutze: Sie zielt darauf ab, das Entstehen neuer Blutgefäße, die sogenannte Angiogenese, zu verhindern.
Warum diese Behandlungsmethode nicht immer anschlägt
Die Behandlungsmethode schlägt allerdings nicht bei allen Patienten an. Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg haben jetzt eine überraschende Erklärung dafür gefunden: Die Forscher vermuten, dass die sogenannten Endothelzellen, die für die Bildung von Blutgefäßen verantwortlich sind, in verschiedenen Tumoren unterschiedliche Eigenschaften haben.
Auf ein Protein kommt es an
Die Forscher isolierten Endothelzellen aus Darmtumoren und stellten erstaunliche Unterschiede fest: Bei Patienten mit guter Prognose bildeten die Zellen das Protein SPARCL1. Dieses Protein wird von den Endothelzellen freigesetzt und kann sowohl das Wachstum dieser Zellen als auch der Tumorzellen hemmen. In gesundem Gewebe verhindert es die Bildung weiterer Blutgefäße.
In Tumoren mit schlechter Prognose dagegen war das Protein deaktiviert, sodass sich neue Blutgefäße bilden und der Tumor weiter wachsen konnte. Mit diesen neuen Erkenntnissen belegen die Forscher, dass Blutgefäße entgegen der bisherigen Meinung das Tumorwachstum auch hemmen können.
Die Studienergebnisse erklären auch, warum eine Krebstherapie, die das Entstehen neuer Blutgefäße hemmt, bei manchen Patienten nicht anschlägt und der Tumor trotzdem weiterwächst: Wenn Tumore in ihren Blutgefäßen SPARCL1 bilden und die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff ausreichend ist, kann der Tumor in Schach gehalten werden. Das Unterdrücken der Blutgefäße könnte dann zu einem Wachstum des Tumors führen. Die Forscher betonen jedoch, dass ihre Ergebnisse nicht generell gegen die Anwendung einer antiangiogenen Therapie sprechen.
Im nächsten Schritt sollen die neuen Erkenntnisse für die praktische Anwendung in der Krebstherapie weiterentwickelt werden.