Langzeitüberlebende nach Krebs: „Es gibt ein Davor und ein Danach.“

Es ist eigentlich eine gute Nachricht: Immer mehr Menschen überleben ihre Krebserkrankung. Doch Krankheit und Therapie hinterlassen Spuren. Zwei Betroffene erzählen von den Herausforderungen, denen sie sich auch Jahre nach der Erkrankung stellen.

Fabia in einem Café

Das Leben nach der Krebserkrankung

Die Folgen einer Krebserkrankung sind so vielfältig wie die Patienten selbst. Während einige Betroffene nach dem Ende ihrer Therapie wenige oder sogar keine Beschwerden haben, ist für andere nichts mehr, wie es vorher war. Erschöpfung, chronische Schmerzen und Nervenschäden sind nur wenige Beispiele dafür, welche langfristigen körperlichen Folgen eine Krebserkrankung nach sich ziehen kann. Daneben stehen einige Betroffene auch vor psychischen Herausforderungen wie der Angst vor einer erneuten Diagnose. Dazu können grundlegende existentielle Sorgen kommen, etwa wenn der Beruf wegen körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht mehr ausgeübt werden kann.

Gute und schlechte Nachrichten

Fabias Erfahrungen

Mit 14 Jahren erhielt Fabia die Diagnose Hodgkin-Lymphom und gilt heute – sieben Jahre später – als genesen. Trotzdem ist die Psychologiestudentin noch oft mit den Folgen der Erkrankung und der Therapie konfrontiert.

„Die Krankheit schimmert in vielen meiner Lebensbereiche durch. Sie gehört zu mir und zu meiner Identität.“

Durch die Therapie sind zum Beispiel ihre Knochen so geschädigt, dass sie schon bald auf eine künstliche Knieprothese angewiesen sein wird.

Doch die 21-Jährige blickt vor allem auf die positiven Seiten ihrer Erfahrung: „Durch diese Herausforderung im jungen Alter habe ich den Wert der kleinen, bis dahin selbstverständlichen Dinge wertschätzen gelernt.“

Gute und schlechte Nachrichten

Otmars Geschichte

Vor acht Jahren erhielt der heutige Rentner nach einer Magenspiegelung die Diagnose Speiseröhrenkrebs. Mit dem Tumor wurden ihm die Speiseröhre und der obere Teil des Magens operativ entfernt und aus dem Rest des Magens ein sogenannter Schlauchmagen geformt. Sein Leben veränderte sich grundlegend.

„Ich muss mein Essverhalten ändern, am Tag sechs kleine Mahlzeiten statt drei große zu mir nehmen.”

Bei der OP musste ein Nerv mitentfernt werden, der für die Verdauung entscheidend ist und dessen Funktion lebenslang durch Medikamente ersetzt werden muss. Mit dem Verlust dieses Nervs verlor Otmar auch das Hunger- und Sättigungsgefühl. Sodbrennen ist ein ständiger Begleiter geworden, sodass er nicht mehr flach liegen kann, sondern immer in einer erhöhten Liegeposition schlafen muss.

„Während der Behandlung hat man mit so vielen Menschen Kontakt. Doch von diesen 60, 70 Leuten hat nicht einer proaktiv gesagt: 'Passen Sie auf, Ihr Leben ändert sich.'“

Fabia beim Kochen
Kochen als Kraftquelle
Nach der Therapie erfassten Fabia bei jedem Unwohlsein immer wieder Ängste vor einem Rückfall. Mit dieser psychischen Belastung kann sie mittlerweile besser umgehen. Dabei hilft es ihr auch, ihren Hobbies nachzugehen, wie zum Beispiel Spazierengehen oder Kochen.
Fabia mit ihrem Hund beim Spaziergang
Reisen bedeutet Freiheit
Nach ihrem Abitur bereiste Fabia ein Jahr die Welt. „Für mich war klar: Wenn ich mit der Schule fertig bin, dann möchte ich eine große Reise machen, in die Welt rausgehen. Etwas machen, das mich nicht einschränkt auf den Ort, den ich während der Therapie nicht verlassen konnte.“
Otmar beim Lesen
Perspektive des Patienten
Otmar fühlte sich in seinen Erfahrungen von den behandelnden Ärzten allein gelassen. 2020 entschied er sich dazu, im Patientenbeirat des Universitären Cancer Center Hamburg aktiv zu werden, um die Perspektive der Patienten in die Versorgung einzubringen.
Otmar mit seiner Frau
Das Leben verändert sich
Otmar brauchte fast ein Jahr, um sich an die Veränderungen seines Körpers und seines neuen Lebenswandels zu gewöhnen. Inzwischen hat er sich damit aber gut arrangiert. „Als Betroffener ist man Experte in der Genese. Niemand weiß so viel über das Gesundwerden wie wir.“

Die Nachsorge am Patienten ausrichten

Obwohl jede und jeder Krebserkrankte Anspruch auf eine medizinische Nachsorge hat, fühlen sich viele nach Abschluss der Therapie allein gelassen. Denn während die Behandlung in der Regel engmaschig durchgetaktet ist, müssen sie sich danach oft selbst mühsam zusammensuchen, welche Angebote es gibt, um den Weg zurück in den Alltag zu finden und mögliche Folgen der Erkrankung abzumildern. Um diese Versorgungslücke zu schließen, hat die Deutsche Krebshilfe daher ein neues Förderschwerpunktprogramm initiiert, in dem Konzepte erarbeitet werden sollen, um Betroffene auch noch lange nach Abschluss der medizinischen Therapie zu unterstützen. Eines der geförderten Projekte ist das „Leben nach Krebs“-Programm am Universitären Cancer Center Hamburg, das in diesem Januar unter der Leitung von der Onkologin PD Dr. Marianne Sinn und der Psychoonkologin Prof. Dr. Isabelle Scholl gestartet ist.

„Wir stellen den Betroffenen nicht nur einen umfänglichen medizinischen Nachsorgeplan aus. Sie bekommen individuelle Unterstützung, zum Beispiel bei psychologischen und sozialrechtlichen Fragen, erhalten aber auch andere Angebote, wie Sport- und Ernährungstherapien. Das soll es Betroffenen erleichtern, ihren Alltag mit allen Folgen der Erkrankung so gut wie möglich zu bestreiten.”

PD Dr. Marianne Sinn

8 Millionen Euro für die Krebsnachsorge

Der neue Förderschwerpunkt „Langzeitüberleben nach Krebs“ umfasst die beiden Programme „Datenerhebung und Datenanalyse“ sowie „Innovative Versorgungsmodelle“. Für insgesamt elf Forschungsprojekte stellt die Deutsche Krebshilfe acht Millionen Euro bereit. Ziel ist, die Situation der Betroffenen besser zu verstehen und ihre Versorgung zu verbessern.

„In Deutschland leben viele Langzeitüberlebende mit eingeschränkter Lebensqualität. Ihre Zahl wird in Zukunft weiter ansteigen und damit auch die Notwendigkeit, die erheblichen Versorgungslücken in diesem Bereich zu schließen. Mit den beiden Förderprogrammen gehen wir dieses Thema wissenschaftlich und strategisch an.“ 

– Dr. Franz Kohlhuber, Vorstandsvorsitzender Deutsche Krebshilfe

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