„Wir handeln im Interesse der Patienten“

Die Versorgung krebskranker Menschen stetig zu verbessern und Krebserkrankungen zu vermeiden ist der Leitgedanke der Deutschen Krebshilfe. Diesem Anspruch konnte sie auch im Jahr 2020 gerecht werden. Im Gespräch blickt der Vorstandsvorsitzende Gerd Nettekoven zurück und zieht eine positive Bilanz.

Foto von Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe (Foto: Regina Brodehser/Deutsche Krebshilfe)

Herr Nettekoven, was waren die Arbeitsschwerpunkte der Deutschen Krebshilfe im vergangenen Jahr?

Unsere Aufgabenschwerpunkte lassen sich nicht mit wenigen Worten zusammenfassen. Dafür ist das Spektrum unserer Aktivitäten zu umfangreich. Nach wie vor gehört es zu unseren wichtigsten Aufgaben, an Krebs erkrankten Menschen Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, die Krebsforschung voranzutreiben und die Versorgung, insbesondere die Krebsbehandlung, weiter zu verbessern. Aber auch die Krebsprävention ist uns ein zentrales Anliegen, um die Möglichkeiten der Vermeidung von Krebs besser als bisher zu nutzen. In diesem Sinne waren wir auch im Jahr 2020 auf allen Gebieten der Krebsbekämpfung aktiv, haben 132 neue Projekte und Initiativen auf den Weg gebracht und gefördert, die Bevölkerung umfangreich über das Thema Krebs informiert sowie krebskranken Menschen unmittelbare Unterstützung zukommen lassen.

Ein Schwerpunkt unserer Arbeit lag beispielsweise im vergangenen Jahr auf der Weiterentwicklung der von uns vor 14 Jahren auf den Weg gebrachten Onkologischen Spitzenzentren – den Comprehensive Cancer Centers. Mit diesen Zentren und der angestoßenen Initiative hat die Deutsche Krebshilfe die Grundlagen für eine flächendeckende, strukturierte, leistungsfähige und zukunftsorientierte Patientenversorgung in Deutschland geschaffen. Im Jahr 2020 haben sich die Universitätskliniken Frankfurt am Main und Marburg, die Universitätsmedizin Göttingen sowie die Medizinische Hochschule Hannover und die Universitätskliniken Essen und Münster zu Comprehensive Cancer Center-Konsortien zusammengeschlossen, um für Betroffene in der jeweiligen Region die bestmögliche Krebsversorgung zu leisten. Diese Zusammenschlüsse sind eine wichtige und konsequente Weiterentwicklung unserer Bemühungen.

In unseren Beratungsgremien wurden von den Experten aus Medizin und Forschung sowie anderen Fachvertretern zudem zahlreiche neue Förderprogramme und Initiativen diskutiert und vorbereitet, zu wichtigen Themenfeldern, die uns am Herzen liegen und die wir in Zukunft angehen werden. Hierzu gehören beispielsweise gezielte Förderprogramme, um die Krebsforschung zu intensivieren. Auch haben wir eine Förderinitiative zur Implementierung von Strukturen für Sport- und Bewegungstherapien bei Krebspatienten so weit entwickelt, dass Projekte noch in diesem Jahr an den Start gehen können.

Leider haben wir uns fast das ganze Jahr über aber auch mit einem Thema beschäftigen müssen, mit dem wir zu Jahresbeginn 2020 nicht gerechnet hatten: die COVID-19-Pandemie. Wir waren von Anfang an besorgt, dass Krebspatienten aufgrund einer Überlastung des Versorgungssystems vernachlässigt werden. Und diese Sorgen waren nicht unbegründet. Zahlreiche diagnostische Untersuchungen, Krebsbehandlungen und supportive Maßnahmen wurden verschoben. Die Auswirkungen für die Patienten sind heute noch nicht absehbar. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebsgesellschaft, haben wir in einer gemeinsamen Task Force permanent die Situation an den Comprehensive Cancer Centers und weiteren Krebszentren analysiert und regelmäßig an die Politik adressiert, dass auch Krebspatienten weiterhin einer adäquaten und zeitnahen Versorgung bedürfen.

Gab es in 2020 weitere, ganz besondere Initiativen der Deutschen Krebshilfe, die Ihnen spontan einfallen?

Da fallen mir schon zwei sehr erfolgreiche Ereignisse ein. Zum einen zum Thema Hautkrebsprävention und UV-Schutz, das uns schon seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen ist. UV-Strahlung ist ein hoher Risikofaktor für das Entstehen von Hautkrebs. In diesem Zusammenhang hatte eine von der Deutschen Krebshilfe geförderte Studie festgestellt, dass sich schätzungsweise 140.000 Minderjährige allein im Jahr 2018 ungehindert der Gefahr durch Solariengeräte ausgesetzt haben – trotz gesetzlichem Verbot. Mit einem außergewöhnlichen Kunstwerk in Form einer violetten Sonne aus 65 echten Solarienröhren sowie einer spektakulären Ausstellung „Spectrum. The most dangerous artwork“ hatten wir auf die Hautkrebsgefahr durch Solarien aufmerksam gemacht. Dabei ist es uns gelungen, mit dieser inzwischen preisgekrönten Aktion die öffentliche und politische Diskussion über ein bundesweites Solarienverbot erneut zu entfachen. Die aufmerksamkeitsstarke Debatte hat in unserem Sinne in der Öffentlichkeit zu einer Sensibilisierung für das Thema Hautkrebsprävention und UV-Schutz geführt.

Ein weiteres wichtiges Ereignis war zweifellos der 34. Deutsche Krebskongress in Berlin, den wir im Februar 2020 bereits zum vierten Mal gemeinsam mit unserer Partnerorganisation, der Deutschen Krebsgesellschaft, ausgerichtet haben. Rund 12.000 Experten haben den Kongress besucht, um sich über wissenschaftliche, medizinische und gesundheitspolitische Entwicklungen auszutauschen.

Viele unserer Spender haben möglicherweise auch ein Zeichen setzen wollen, um deutlich zu machen, dass krebskranke Menschen in dieser außergewöhnlichen Zeit nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Gerd Nettekoven

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe

Inwiefern hat sich die COVID-19-Pandemie auf die Deutsche Krebshilfe ausgewirkt, insbesondere auf die Spendeneinnahmen?

Zunächst einmal bin ich sehr froh darüber, dass wir unsere Arbeit im vergangenen Jahr trotz Corona-Pandemie erfolgreich gestalten konnten, wenngleich mit erheblich veränderten Abläufen und verbunden mit Herausforderungen. Man muss sich mal vorstellen, dass wir unsere gesamten Projekte und Vorhaben seit März 2020 nur noch digital mit unseren Fachausschüssen, Gutachtern und anderen Gremien diskutieren und auf den Weg bringen konnten. Ich möchte daher allen danken, die zu einem erneut erfolgreichen Wirken der Deutschen Krebshilfe beigetragen haben, insbesondere unseren Mitarbeitern, aber auch den zahlreichen Mitgliedern in unseren Beratungsgremien.

Im vergangenen Jahr bin ich sehr oft gefragt worden, ob und wie sich die Pandemie auf die Spendenbereitschaft und damit auf unsere Einnahmen auswirkt. Denn wir sind bei unserer Arbeit auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen und finanzieren unsere Aktivitäten weitestgehend aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen. Wir konnten zum Jahresende erleichtert und mit großer Dankbarkeit feststellen, dass unsere Spenderinnen und Spender uns wie gewohnt unterstützt und uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Viele unserer Spender haben möglicherweise auch ein Zeichen setzen wollen, um deutlich zu machen, dass krebskranke Menschen in dieser außergewöhnlichen Zeit nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Die Spendenbereitschaft der Bevölkerung war somit auch im Jahr 2020 ungebrochen. Über 129 Millionen Euro hat die Deutsche Krebshilfe im vergangenen Jahr an Einnahmen verzeichnen können – ein besseres Ergebnis als im Jahr zuvor. Das zeigt uns, dass unsere Anstrengungen im Kampf gegen den Krebs von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wahrgenommen und anerkannt werden und dass wir mit dem breit angelegten Spektrum unserer Aktivitäten richtigliegen. Auch unsere Wirtschaftlichkeit ist ganz sicher mit ein Grund für unsere Glaubwürdigkeit. Unsere Kosten für Verwaltung und Spendenakquise sowie unsere sonstigen Kosten lagen 2020 bei insgesamt 7,1 Prozent. Die Projektnebenkosten beliefen sich auf 3,5 Prozent.

Leider mussten wir allerdings auch Einschränkungen hinnehmen. Zahlreiche Unterstützer konnten aufgrund der Pandemie ihre lange geplanten Charity-Veranstaltungen oder Sportevents zugunsten der Deutschen Krebshilfe nicht durchführen. Was sehr bedauerlich ist, da solche Initiativen immer auch mit hohem persönlichen Aufwand verbunden sind. Einige haben sich dennoch nicht entmutigen lassen und kreative Wege gefunden, sich mit Ideen und Spendenaufrufen für ihre krebskranken Mitmenschen einzusetzen.

Gab es weitere Höhepunkte und Besonderheiten rund um die Deutsche Krebshilfe in 2020?

Ein Höhepunkt zum Jahresende war für uns alle, dass es uns gelungen ist, die international bekannte Geigerin Anne-Sophie Mutter als Präsidentin der Deutschen Krebshilfe zu gewinnen, die das Amt am 28. März 2021 als Nachfolgerin von Fritz Pleitgen angetreten hat. Mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Interesse und ihrer Motivation, aber auch aufgrund persönlicher Erfahrungen mit dem Thema Krebs, wird sie sich für krebskranke Menschen und ihre Angehörigen einsetzen. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit ihr.

Das gibt mir an dieser Stelle die Gelegenheit, Fritz Pleitgen für sein zehnjähriges Wirken als Präsident der Deutschen Krebshilfe zu danken – ebenso für die stets konstruktive und unkomplizierte Zusammenarbeit mit ihm. Für die Zukunft wünsche ich unserem jetzigen Ehrenpräsidenten alles Gute.

Erwähnen möchte ich hier auch unser neu besetztes Kuratorium, dem rund 20 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören und das neben unseren medizinisch/wissenschaftlich ausgerichteten Fachausschüssen die Aufgabe hat, den Vorstand dahingehend zu beraten, die Anliegen der Deutschen Krebshilfe in die breite Öffentlichkeit zu tragen und zu gesellschaftlichen Themen zu machen. Ich freue mich sehr auf die Impulse aus diesem Kreis.

Nennen möchte ich unbedingt auch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Patienteninteressen. Bei zahlreichen Initiativen haben wir auch in der Vergangenheit Krebsbetroffene in unsere Arbeit unmittelbar eingebunden. Mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Patienteninteressen möchten wir aber den Blick aus der Patientenperspektive auf unsere Arbeit deutlich verstärken, um sicher zu sein, dass wir mit unseren Projekten und Initiativen wirklich im Sinne der Patienten handeln.

Wer unterstützt Ihre Arbeit?

Alles, was wir in der Krebsbekämpfung leisten, ist nur durch die breite Unterstützung aus der Bevölkerung möglich. Ohne unsere Spender wären wir nicht in der Lage, unsere Aufgaben zu erfüllen. Ein weiterer Stützpfeiler unserer Arbeit sind die zahlreichen Ärzte und Wissenschaftler, die sich mit ihrem Wissen, ihrer Energie und ihrer Zeit ehrenamtlich für die Aufgaben der Deutschen Krebshilfe einsetzen und uns bei der Einschätzung von Projekten und Initiativen beraten und unterstützen. Aber auch andere Fachvertreter und Menschen aus vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen beraten uns und tragen unsere Arbeit mit.

Vorstand der Deutschen Krebshilfe: Gerd Nettekoven (Vorsitzender, links) und Dr. Franz Kohlhuber (Foto: Regina Brodehser/Deutsche Krebshilfe)

Die Deutsche Krebshilfe ist auch in der Gesundheits- und Forschungspolitik ein wichtiger Gesprächspartner. Was waren 2020 Ihre Themen?

Mit unseren umfangreichen Aktivitäten in der Krebsbekämpfung sind wir gesundheits- und forschungspolitisch präsent und ein ernst genommener Gesprächspartner. Nach wie vor sind wir in diversen Gremien des „Nationalen Krebsplans“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vertreten. Der regelmäßige Dialog mit den beiden Bundesministerien ist für unsere Arbeit von zentraler Bedeutung, um mit diesen aus unserem Blickwinkel wichtige Themen diskutieren zu können.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die im Jahr 2020 erlangte weitgehende Regelfinanzierung durch die Krankenkassen von psychosozialen Krebsberatungsstellen. Diese wichtigen Versorgungsstrukturen sind von uns über viele Jahre mit diesem Ziel gefördert worden. Die jetzt erreichte Regelfinanzierung ist aber auch ein Beispiel dafür, wie unser Einsatz mit Hilfe unserer Spender nachhaltig wirkt.

Im Jahr 2020 haben wir unsere Forderung nach einer schnellen Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Tabakkontrolle erneut an die Politik herangetragen und konnten dabei zumindest einen Teilerfolg erzielen: Im Herbst 2020 hat der Deutsche Bundesrat ein lange überfälliges Tabakwerbeverbot beschlossen.

Da eine Krebserkrankung die wirtschaftliche Situation vieler betroffener Menschen beeinflusst, haben wir im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband ein Positionspapier zum Thema „Krebs und Armut“ verfasst, das an die Gesundheits- und Sozialpolitik adressiert wurde.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Zunächst einmal hoffe ich sehr, dass wir die Corona-Pandemie bald hinter uns lassen können, damit in unserem Versorgungssystem wieder alle Ressourcen zur Verfügung stehen, um Krebspatienten zeitnah und optimal versorgen zu können. Das System war während der Pandemie zeitweise sehr gestresst. Allerdings erwarte ich auch von der Politik, aus den Erfahrungen des letzten Jahres gelernt zu haben und sich ernsthaft Gedanken zu machen, wie solche Extremsituationen in Zukunft
vermieden werden können.

Darüber hinaus wünsche ich mir, dass wir mit unseren wichtigen Partnern – wie der Deutschen Krebsgesellschaft, dem DKFZ, dem BMG und dem BMBF – das gute Zusammenwirken der letzten Jahre aufrechterhalten. Diese enge Zusammenarbeit macht uns in unserem Land unglaublich stark, um die Krebsbekämpfung gemeinsam voranzubringen. Sie ist für die Deutsche Krebshilfe zudem ein Garant, ihre vielfältigen Ideen und Anstöße mit breitem Konsens zur Umsetzung zu bringen und mit diesen vor allem Nachhaltigkeit zu erzeugen.

Und ich hoffe sehr, dass unsere Spender weiterhin an unserer Seite stehen. Nur dann sind wir in der Lage, uns weiterhin für krebskranke Menschen einzusetzen – auch in schwierigen Zeiten wie einer Pandemie. Wir befassen uns derzeit mit vielen wichtigen Themen, die alle dazu beitragen werden, die Versorgung von Krebspatienten weiter zu verbessern. So müssen auch außerhalb der von uns initiierten Comprehensive Cancer Center Patienten von den Entwicklungen und Innovationen dieser Zentren verstärkt und systematisch profitieren. Wir denken zudem über eine Struktur nach, die in Deutschland allen Krebspatienten bei Bedarf qualitätsgesichert eine sogenannte zweite Meinung anbietet. Aufgrund ihres Potenzials wird auch die Krebsprävention weiterhin im Mittelpunkt unserer Aktivitäten stehen, dabei auch die Krebspräventionsforschung, die nicht nur in unserem Land, sondern weltweit unterrepräsentiert ist. Aktuell sind wir dabei, ein Förderprogramm auf den Weg zu bringen, um insbesondere junge Wissenschaftler für die Präventionsforschung zu begeistern. Projekte zur besseren onkologischen Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund werden wir in Kürze ebenfalls auf den Weg bringen. Alle diese Vorhaben – zusätzlich zu unseren bisherigen Aufgaben – sind uns jedoch nur möglich, wenn uns unsere Spender auch weiterhin ihr Vertrauen und ihre Treue schenken. Und das wünsche ich mir sehr. Denn nur gemeinsam werden wir die Situation krebskranker Menschen auch in Zukunft verbessern können.

Weitere Informationen zum Geschäftsjahr 2020 finden Sie in unserem aktuellen Geschäftsbericht.

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