Pressemitteilung – 23.03.2017
München (ko) – Aggressiven Darmkrebszellen fehlt möglicherweise ein wichtiges Molekül, das gesunde Zellen davor bewahrt, sich unkontrolliert immer weiter zu vermehren. Das könnte die Ursache für besonders schwere Krankheitsverläufe sein, vermuten Wissenschaftler der Technischen Universität München. Sie wollen jetzt die genauen Zusammenhänge entschlüsseln und neue Behandlungsstrategien entwickeln. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit rund 325.000 €.
Wenn die Kommunikation nicht richtig läuft, ist das Chaos meist vorprogrammiert. Was für das menschliche Miteinander charakteristisch ist, trifft auch auf die Zellen unseres Körpers zu. Ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Signalmoleküle steuert ihr gesundes Wachstum. Sogenannte Tumorsuppressoren etwa regulieren die Zellteilung. Kommt es zu Fehlern in der Nachrichtenübermittlung, können die Zellen unkontrolliert weiterwachsen und Tumore bilden.
Als Tumorsuppressor fungiert vermutlich auch ein Eiweißmolekül mit der wissenschaftlichen Abkürzung DUSP5, das Wissenschaftler des Klinikums rechts der Isar an der Technischen Universität München jetzt im Zusammenhang mit der Entstehung von Darmkrebs genauer untersuchen wollen. „DUSP5 sorgt in gesunden Zellen des Darmtrakts dafür, dass diese sich regelmäßig erneuern und dann ihr Wachstum wieder einstellen. Es bremst quasi auf natürlichem Weg die Zellen aus“, erläutert Studienleiter Professor Dr. Klaus-Peter Janssen. „Wir konnten nachweisen, dass bei vielen Darmkrebspatienten dieses Protein nicht vorhanden oder nur schwach ausgeprägt ist. Bei Patienten, die kein DUSP5 mehr im Tumor haben, wächst der Krebs besonders aggressiv“, so Janssen weiter. Ohne DUSP5 fehlt den Krebszellen vermutlich die natürliche Wachstumsbremse, und sie können sich ungehindert teilen.
Professor Janssen und sein Team gehen nun der Frage nach, warum die Aktivität des „Bremsmoleküls“ DUSP5 in Darmkrebszellen herabgesetzt ist und welche Auswirkungen dies auf die Zellen hat. Langfristig wollen sie klären, warum Darmkrebs bei einigen Patienten einen aggressiven Verlauf nimmt, also oft nur schwer behandelbare Absiedlungen in anderen Organen (Metastasen) bildet, und ob DUSP5 dafür mitverantwortlich ist. Die Arbeitsgruppe um Professor Janssen kann bereits erste Erfolge verbuchen: Aktuelle Ergebnisse belegen, dass DUSP5 im Laborversuch das Entstehen der Metastasen tatsächlich verhindern kann. Darmkrebszellen, in denen DUSP5 gezielt wieder „angeschaltet“ wurde, konnten keine Tumorabsiedlungen in Lymphknoten oder anderen Organen mehr ausbilden. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler neue Verfahren entwickeln, um das Risiko für das Auftreten von Metastasen besser beurteilen zu können. Langfristiges Ziel sind neuartige Behandlungsstrategien bei fortgeschrittenen Stadien der Krebserkrankung.
„Insbesondere bei fortgeschrittenen Krankheitsverläufen steht die Krebsmedizin immer noch vor großen Herausforderungen. Für die Entwicklung neuer Therapieansätze ist es daher unabdingbar, die Entstehungsmechanismen von Krebserkrankungen zu verstehen“, betont Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.
Wer sich anlässlich des Darmkrebsmonats März detaillierter über die Themen Vorbeugung, Früherkennung, Behandlung und Nachsorge von Darmkrebs informieren möchte, erhält kostenlose Informationsmaterialien bei der Deutschen Krebshilfe, Postfach 1467, 53004 Bonn. Alle Ratgeber und Faltblätter können auch hier bestellt oder heruntergeladen werden. Eine persönliche Beratung bieten darüber hinaus die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Informations- und Beratungsdienstes der Deutschen Krebshilfe INFONETZ KREBS unter der kostenlosen Rufnummer 0800 / 80708877.
Hintergrundinformation: Darmkrebs
Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung in Deutschland. Rund 33.000 Männer und 28.000 Frauen erkranken jedes Jahr neu daran (Robert Koch-Institut, Berlin 2016). Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt für Männer bei 72 Jahren und für Frauen bei 75 Jahren.
Rauchen und Übergewicht sind die bedeutendsten Risikofaktoren für Darmkrebs. Auch Bewegungsmangel, regelmäßiger Alkoholkonsum sowie eine ballaststoffarme Ernährung mit hohem Anteil an rotem Fleisch und Wurstwaren spielen eine große Rolle. Darüber hinaus erhöhen schwere entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sowie bestimmte Formen von Dickdarmpolypen, die als Vorläufer von bösartigen Darmtumoren gelten, das individuelle Darmkrebsrisiko. Auch eine erbliche Belastung kann von Bedeutung sein.
Projektnr.: 70111822
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