03.07.2024
Professor Dr. Christian Brandts, Direktor des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen Frankfurt-Marburg und Sprecher von ONCOnnect erklärt im Interview, wie das von der Deutschen Krebshilfe geförderte neue Verbundprojekt die regionale Versorgung von Krebspatienten weiter verbessern soll.
Wie ist der Entwicklungsstand der CCCs, insbesondere im Kontext der regionalen Vernetzung?
Mittlerweile gibt es 15 von der Deutschen Krebshilfe geförderte CCCs, sogenannte Onkologische Spitzenzentren, darunter sieben CCC-Konsortien. Das sind in Summe 26 universitäre CCC-Standorte, verteilt auf ganz Deutschland. Die Mehrheit der onkologischen Patienten in Deutschland wird jedoch nicht in CCCs diagnostiziert und behandelt, sondern in regionalen Krankenhäusern und Praxen.
Damit alle Patienten Zugang zu Innovationen und den klinischen Studien der CCCs haben, müssen diese ihre regionalen Netzwerke weiterentwickeln. Die Netzwerkbildung weist zum jetzigen Zeitpunkt noch große regionale Unterschiede auf. So herrscht in urbanen Metropolregionen ein relatives Überangebot, während im ländlichen Raum oft eine Unterversorgung besteht. Dies liegt unter anderem an einem Mangel an Fach- und Hausärzten sowie an fehlenden Supportivangeboten in diesen Regionen. Zu Supportivangeboten zählt, was Krebspatienten in ihrem Therapieverlauf unterstützt, wie beispielsweise psychoonkologische Versorgung oder Sportkurse. Zudem erfordert eine aktive Netzwerkpflege viel Kommunikation und Abstimmung. Dafür fehlt es auf allen Seiten an Personal und digitaler Unterstützung.
Mit dem Großprojekt ONCOnnect wollen Sie die Patientenversorgung nachhaltig vernetzen und so verbessern. Was haben Sie genau vor?
ONCOnnect ist ein Verbundprojekt unter Beteiligung aller 15 CCCs, des Nationalen Krebspräventionszentrums in Heidelberg sowie von Patientenvertretungen, das sich die Weiterentwicklung regionaler Outreach-Netzwerke der CCCs zum Ziel gesetzt hat. ‚Outreach‘ bedeutet an dieser Stelle, dass wir uns aktiv an Versorgungseinrichtungen in der Region wenden, um diese in die bestehenden CCC-Infrastrukturen einzubeziehen.
Hierfür werden zum einen an allen CCCs sogenannte Outreach-Manager etabliert, die als koordinierende Schnittstelle zwischen dem CCC und der Region fungieren. Diese Outreach-Manager existieren bisher nur an einzelnen CCCs und erfüllen dort Schlüsselaufgaben für eine effiziente Vernetzung nach innen und nach außen. Zum anderen werden in fünf verschiedenen Task Forces Best-Practice-Modelle im regionalen Kontext entwickelt, die anschließend auf weitere CCCs übertragen werden sollen.
In welchen Bereichen wollen Sie konkrete Verbesserungen erzielen?
Die fünf Task Forces von ONCOnnect beschäftigen sich mit den Themen Prävention und Früherkennung, Patientenbeteiligung, klinische Studien, Qualitätssicherung und Digitalisierung.
Die Task Force Prävention und Früherkennung wird unter anderem eine Risikosprechstunde zur Früherkennung etablieren. Die Task Force Patientenbeteiligung strebt an, ein Patientenkompetenzkolleg mit Schulungen für Patienten aufzubauen, um insbesondere Patientenvertreter im Outreach zu etablieren. Die Einbindung von Patienten in alle Schritte der Versorgung wird immer wichtiger. Die Best-Practice-Modelle im Bereich der klinischen Studien sollen gezielt die Studienaktivitäten in den regionalen Netzwerken steigern und den flächendeckenden Zugang für Patienten zu innovativen klinischen Studien ermöglichen. Bei der Qualitätssicherung im regionalen Netzwerk soll mit ONCOnnect unter anderem die Zusammenarbeit der CCCs mit den Landeskrebsregistern verbessert werden. Deren Daten geben bereits jetzt wertvolle Einblicke in die regionale Versorgungsrealität. Einen in allen Task Forces wiederkehrenden Lösungsansatz stellen Werkzeuge zur Digitalisierung des Outreach dar. Ein Hauptziel von ONCOnnect besteht darin, eine zentrale Informations- und Austauschplattform aufzubauen, die sowohl von Ärzten als auch von Patienten und Angehörigen genutzt werden kann.
ONCOnnect wird bis 2027 von der Deutschen Krebshilfe gefördert. Was soll sich bis dahin für Patienten verbessert haben?
Bis 2027 wollen wir die regionalen Netzwerke der CCCs stärken und ausbauen. Wir sind überzeugt, dass wir hierdurch die regionalen Unterschiede reduzieren können. Dies wird für Patienten einen besseren Zugang zu innovativen Krebstherapien, Supportivangeboten und klinischen Studien in den CCCs bedeuten, und zwar unabhängig von ihrem Wohnort und ergänzend zur Betreuung durch ihre vertrauten Ärzte an regionalen Krankenhäusern und in Praxen.
Dieses Interview wurde in unserem Geschäftsbericht 2023 veröffentlicht.
Fördersumme: 13,8 Millionen Euro
Förderzeitraum: 2024 – 2027
Projektstandorte: Aachen, Augsburg, Berlin, Bonn, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Frankfurt a. M., Freiburg, Göttingen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Jena, Köln, Leipzig, Mainz, Marburg, München, Münster, Regensburg, Stuttgart, Tübingen, Ulm, Würzburg