Frauen in der Forschung

Interview mit Professor Dr. Claudia Lengerke, Universität Basel

Frau Professor Lengerke - Sie sind Professorin für Stammzellforschung am Department für Biomedizin der Universität Basel und Mutter von zwei Kindern. Welche Schritte haben Sie bis zur Ihrer jetzigen Position als Professorin durchlaufen?
Ich habe Humanmedizin in Tübingen studiert und danach 2001 meine klinische Ausbildung im Fach Innere Medizin am Uniklinikum Tübingen begonnen. Während des Studiums habe ich durch eine Promotionsarbeit in die experimentelle Forschung hineingeschnuppert; dennoch war es ganz etwas anderes, als ich dann in meiner Postdoc-Zeit in den USA ab 2004 die Chance hatte, in einem Hochleistungslabor ein eigenes Projekt zu gestalten. Die Zeit an der Harvard Medical School in Boston hat mich und meine Forschung nachhaltig geprägt, und den Start meiner wissenschaftlichen Karriere ermöglicht. Drei Jahre später, zurück in Tübingen, habe ich mit Hilfe aus dieser Zeit resultierender Publikationen und Erfahrungen eine eigene Forschungsgruppe aufgebaut. Parallel dazu habe ich die Facharztbezeichnung für Innere Medizin und für den Schwerpunkt Hämatologie und Medizinische Onkologie erlangt, und mich habilitiert. 2011 war ich dann Oberärztin an der Medizinischen Klinik II und Leiterin einer erfolgreichen Nachwuchsgruppe, gefördert durch das Max-Eder Programm der Deutschen Krebshilfe und Projektleiterin in verschiedenen anderen Forschungsprogrammen. Da kam der Anruf aus Basel. Eine freundliche Einladung, sich auf die ausgeschriebene Professur zu bewerben. Und seit 2013 ziehe ich von Basel aus meine Kreise...

Sie sind in Rumänien geboren und aufgewachsen, haben in Tübingen und Timisoara (Rumänien) Medizin studiert und sind heute Expertin für Krebsforschung in Basel. Wie haben Sie diesen Karriereweg gemeistert?
Da kommt vieles zusammen. Einiges an Zufall und auch Glück. Ich habe das nicht so geplant. Schon als Kind war ich wissbegierig und leistungsorientiert, ich wollte mich für etwas einsetzen. Ich habe bewusst nach dem gesucht, dass mich am meisten interessiert und in dem ich meine Stärken einbringen kann.
Wenn man mit Interesse und Leidenschaft dabei ist, und seine Stärken ausspielt, bringt man hohe Leistungen ohne sich belastet zu fühlen und erzielt leichter Erfolge. Echte intrinsische Motivation für das Thema kann die Motivation hochhalten, wenn Durststrecken kommen.

Woran forschen Sie derzeit?
Mein Forschungsthema sind Stammzellen. In meiner Postdoktorandenzeit habe ich untersucht, wie Blutstammzellen während der Embryogenese entstehen. Erst wenn wir das verstanden haben, wird es möglich sein, aus „alleskönnenden“ pluripotenten Stammzellen Blutstammzellen für Patienten zu generieren. Zurück im Klinikalltag der Hämatologie/Onkologie bewegte mich dann aber am meisten die Frage, warum wir Krebs nicht immer heilen können. Obwohl die Behandlung den Tumor zunächst in Remission bringen kann, erleiden Patienten oft tödliche Rezidive. Ein Grund dafür sind Stammzelleigenschaften, die sich Tumorzellen zu eigen machen. Ich möchte mein Wissen über Stammzellen einsetzen, um bessere Behandlungen gegen Krebserkrankungen zu entwickeln.

Was ist In Ihrem Berufsleben besonders interessant?
Alles, das ist ja das Schöne daran. Es ist die Abwechslung von Menschlichkeit, Patientennähe, intellektueller Analytik, Kreativität, Team-Arbeit und Freude an der Nachwuchsförderung, die den Reiz ausmachen.

Wollten Sie als Kind schon Medizinerin werden?
Ich hatte mich als Kind für vieles interessiert. Den Berufswunsch Medizin habe ich recht spät entwickelt. Ich fragte mich „Über was würdest Du morgen am liebsten mehr erfahren?“. Und dann wurde die Entscheidung ganz einfach.

Was war die beste Entscheidung in Ihrer beruflichen Laufbahn?
Es ist schwierig, eine Entscheidung als die Beste zu benennen. In der Abteilung von Professor Kanz aufgenommen zu werden, und dadurch in das von ihm erarbeitete Konzept für Nachwuchsförderung einzusteigen war wichtig, auch die Postdoc-Zeit in der Forschungsgruppe von George Daley hat mir eine enorme Entwicklung ermöglicht. Auch mit dem Wechsel nach Basel habe ich mich sehr weiterentwickelt.

Inwieweit haben Sie von den Nachwuchsförderprogrammen der Deutschen Krebshilfe profitiert?
Durch sie ist dieser Karriereweg erst möglich geworden. Und deswegen bin ich unter anderem auch gerne heute hier. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Möglichkeit habe, danke zu sagen. Das Mildred-Scheel Stipendium war die Bedingung für die Aufnahme als Postdoc in Harvard. Und das Max-Eder-Programm der Grundbaustein, um eine kompetitive eigene Gruppe aufbauen zu können, und gleichzeitig meine Facharztausbildung zu beenden.

Was raten Sie Nachwuchswissenschaftlern?
Freude an dem zu haben, was sie tun. Sich selbst zu kennen, offen zu bleiben für Änderungen und neue Chancen. Wenn sie eine Entscheidung treffen, den Mut zu haben, das zu wählen, wofür sie Leidenschaft aufbringen können. Die wichtige Frage zu identifizieren, die sie bewegen kann. Gleichzeitig pragmatisch bleiben und darauf achten, die eigenen Stärken einzubringen.

Was würden Sie heute Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?
Zu versuchen, noch besser zu wählen, was zählt. Um noch mehr darauf die Energie fokussieren zu können. Manchmal ist eben „alles wichtig“, daran kann man arbeiten.

Sie haben zwei Söhne. Wie bekommen Sie Karriere & Kinder unter einen Hut?
Das ist nicht immer einfach. Eine gute Organisation ist Voraussetzung, auch ein verständnisvoller Partner. Verständnis in der Berufswelt – für ein verspätetes Auftreten oder eine nachlassende Produktivität über ein, zwei Jahre helfen auch. Ich will nicht alles rosa malen, ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit meinen Kindern. Das einzige was mich tröstet, ist – ich glaube es ist mehr mein Problem als ihres. Ich habe selbst voll berufstätige Eltern gehabt und doch eine glückliche Kindheit, in der mir an nichts gefehlt hat.

Wie sieht Ihr nächstes Forschungsprojekt aus?
Wir haben viele spannende Projekte im Labor. Eines davon untersucht zum Beispiel wie sich Leukämiestammzellen in Knochenmarksnischen verstecken. Das Beste daran, eine Forschungsgruppe zu leiten, ist, dass man kann gleichzeitig verschiedene Ideen kreativ entwickeln und gemeinsam mit talentierten und motivierten Wissenschaftlern bearbeiten kann.

Welches war Ihr größter beruflicher/privater Erfolg?
Trotz aller beruflichen Erfolge, werden immer die Kinder den ersten Platz bekommen.

Haben Sie ein Lebensmotto?
Nicht zu vergessen, dass oft der Weg das Ziel ist. Unser Leben passiert jetzt, genau in diesem Moment, deswegen ist es immer wichtig ausreichend glücklich im „jetzt“ zu sein.

Worüber können Sie lachen?
Über vieles. Ich lache gerne und schätze Humor sehr. Meine Familie bringt mich viel zum Lachen. Aber auch in meinem Labor lachen wir oft zusammen.