Tätowierungen können einen Körperschmuck darstellen, Lebensgeschichten erzählen, Operations-Narben verdecken oder Brustwarzen nach einer Brustamputation nachstellen. Aber sind Tattoos gesundheitlich unbedenklich oder sind damit Risiken und Langzeitfolgen verbunden? Wissenschaftlich belegt ist bis dato wenig. Mythen gibt es dafür umso mehr.
Tattoos: Krebserregend oder nicht?
Diese Frage beantwortet Dr. Milena Förster, Epidemiologin an der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) in Lyon. Im Interview klärt sie auf, was über den Zusammenhang von Tattoos und Krebs bekannt ist, und worauf Krebspatientinnen und Krebspatienten achten sollten.
Können Tattoos Krebs auslösen?
„Die Frage, ob Tattoos krebsauslösend sind, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Zwar gibt es toxikologische und biologisch-medizinische Anzeichen, dass Tätowierungen nicht unschädlich sind: z.B. die chemische Zusammensetzung der Tinten, bekannte dermale (die Haut betreffende) Nebenwirkungen oder die Lichtempfindlichkeit.
Jedoch fehlt es sowohl an Grundlagenforschung wie Tätowierungen Krebs auslösen könnten, als auch an epidemiologischen, also bevölkerungsbezogenen Studien.
Dr. Milena Förster, Epidemiologin an der IARC in Lyon
Bis heute wurden lediglich drei case-control Studien zum Thema publiziert mit unterschiedlichsten Ergebnissen. Die größte und aussagekräftigste, eine erst kürzlich publizierte schwedische Studie (Nielsen eta al, 2024), fand ein 21 Prozent erhöhtes Lymphomrisiko in der tätowierten Bevölkerung. Die Studie hat jedoch erhebliche methodische Mängel, sodass die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten sind.
Seit Anfang 2022 müssen verwendete Tattoo-Farben in der EU bestimmte gesetzliche Anforderungen erfüllen (Liste der Beschränkungen gemäß REACH). Verboten sind seither alle Substanzen, die als krebserzeugend oder erbgutschädigend eingeschätzt werden. Rund 4.000 dieser Stoffe wurden mit der Gesetzesnovelle komplett verboten oder zumindest beschränkt, um Höchstkonzentrationsgrenzwerte geltend machen zu können. Man hat sich dabei an den Regelungen für kosmetische Produkte orientiert, da spezifische Daten für Tattoos fehlen.
Von den Änderungen der sogenannten Tattoo-REACH Verordnung und dem damit einhergehenden Verbot sind vor allem bunte Farben betroffen. Viele Tätowierer beschränken sich daher auf die Farben Schwarz, Weiß und Grau – hierfür gibt es bereits REACH-konforme Farben auf dem Markt. Bunte Farben befinden sich bei vielen Herstellern hingegen noch in der Entwicklung, um auf unzulässige Inhaltsstoffe verzichten zu können.
Seriöse Tätowierer geben auf Nachfrage Auskunft über die verwendete Marke der Tattoo-Farben. So können Interessierte selbst recherchieren, ob die Farbe der REACH-Verordnung gerecht wird. Am besten achten sie aber selbst darauf, ob sich ein „REACH-konform“-Label auf der Farbflasche befindet.“
Was passiert mit der Tattoo-Farbe im Körper?
„Um zu verstehen, warum Tattoos theoretisch Krebs auslösen könnten, muss der Prozess der Tätowierung an sich betrachtet werden: Dabei wird die Tinte in die Lederhaut (Dermis), die zweite Schicht der Haut, gespritzt.
Bislang ist bekannt, dass der Großteil der Tattoopigmente von der Dermis in die Lymphknoten abtransportiert wird. Nicht zuletzt aufgrund ihrer geringen Größe ist es denkbar, dass Pigmente sich weiter im Körper verteilen, jedoch fehlt hierzu bislang die wissenschaftliche Evidenz. Es gibt zudem erste Anzeichen, dass Tätowier-Pigmente das Immunsystem auch längerfristig stimulieren können, aber auch hier ist wissenschaftlich noch viel zu tun.“
Kann die Entfernung eines Tattoos Krebs auslösen?
„Auch hier fehlt bislang jegliche wissenschaftliche Evidenz. Tatsächlich werden bei der Laserentfernung die Farbpigmente aufgespalten. Dies kann zu Entzündungen und Schädigungen des umliegenden Gewebes führen, was wiederum die Entstehung von Hautkrebs begünstigen könnte. Ob hierdurch wesentliche Mengen an krebserzeugenden oder krebsfördernden Stoffen in den Körper freigesetzt werden, ist jedoch noch unklar.“
Was gilt für Tattoos bei Krebspatienten?
„Während und in den Tagen/Wochen nach der Tätowierung findet eine starke inflammatorische Reaktion im Körper statt. Diese wird von Personen mit gesundem, funktionierendem Immunsystem gut weggesteckt. Bei Krebspatienten ist jedoch das Immunsystem, durch den Krebs aber auch die Therapie, stark beeinträchtigt. Selbst wenn noch Studien zum Thema fehlen, ist es denkbar, dass Tätowierungen die Therapiewirksamkeit gefährden könnten, oder auch Metastasen oder Rezidive begünstigen können.“
Krebsnarben kaschieren durch Tattoos
„Tattoos können genutzt werden, um Narben zu kaschieren. Sogenannte Cover-Ups können dabei helfen, sich im eigenen Körper wohler zu fühlen. Ist ein Cover-Up-Tattoo gewünscht, sollte mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin abgeklärt werden, ob die Haut so verheilt ist, dass ein Tattoo auf der entsprechenden Stelle möglich ist. Erst wenn es die medizinische Zustimmung gibt, sollte ein solches Tattoo in Erwägung gezogen werden.
Handelt es sich um ein lederartiges Narbengewebe oder tritt dieses stärker hervor, sollte auf ein Tattoo verzichtet werden. In der Regel wird kein seriöser Tätowierer solche Narben verzieren. Hierbei ist das Risiko eines Blow-Outs zu groß: Dabei verläuft die Farbe zu schnell und das Ergebnis sieht verschmiert aus, sodass die erhoffte Wirkung gänzlich verloren geht.
Die Entfernung eines Tattoos auf Narbengewebe ist in vielen Fällen nicht mehr möglich. Dies sollte bei der Motivwahl bedacht werden.“
Ist ein Brustwarzentattoo im Rahmen einer Brustrekonstruktion sinnvoll?
„Brustwarzen-Tätowierungen sind heute bereits täuschend echt. Eine solche Tätowierung nach erfolgreicher Brustkrebstherapie inklusive operativer Brustrekonstruktion ist in meinen Augen eine wunderbare Art, das Selbstwertgefühl betroffener Frauen zu stärken und kann auch einen mentalen Schlussstrich unter eine traumatische Lebensphase ziehen. Was dabei beachtet werden sollte, ist das zwischen der operativen Brustrekonstruktion und der Tätowierung genug Zeit verstreichen sollte. Wie lange genau, ist schwer zu sagen und ist sicherlich individuell unterschiedlich je nach physischer und geistiger Resilienz der jeweiligen Patientin. Persönlich würde ich sechs Monate empfehlen, auch wenn es viele bereits früher wünschen.“
„Es gibt verschiedene Verfahren, um am Ende einer Brustrekonstruktion ebenfalls die Brustwarze zu rekonstruieren. Beispielsweise ist es möglich, eine Brustwarze plastisch aus umgebender Haut oder transplantierter Haut zu formen. Dabei kann eine Tätowierung dazu dienen, die natürliche Färbung des Warzenvorhofs nachzuahmen. Eine Alternative ist eine Tätowierung, die Brustwarze und Warzenhof mit einem dreidimensional wirkenden Tattoo darstellt.
Auf einer behandelten Brust kann ein Tattoo nicht so tief in die Haut gestochen werden. Daher kann die Farbe langsam verblassen. Falls gewünscht, kann die Tätowierung nach einigen Jahren wiederholt werden. Auch das sollte mit einem Arzt oder einer Ärztin abgeklärt werden. Viele Brustkrebszentren beraten zur Tätowierung nach einer Brustkrebsbehandlung.“
Sind Tattoos krebserregend? – Fazit
„Ob Tattoos das Krebsrisiko steigern, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht belegt. Möglicherweise könnten die Substanzen in der verwendeten Farbe das Risiko erhöhen Es ist daher wichtig, darauf zu achten, dass nur mit zulässiger Tätowier-Farbe gearbeitet wird. Krebsbetroffene sollten, wie alle Personen mit bekannter Immunschwäche, vor einer Tätowierung unbedingt einen behandelnden Arzt oder eine behandelnde Ärztin zu Rate ziehen.“
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